"Die Juden mögen wir nicht", schwadronierte Sigbert Ramsauer, ehemaliger SS-Arzt im KZ am Loiblpass, amnestierter Kriegsverbrecher und praktischer Arzt in Klagenfurt, Anfang der 1990er Jahre in einem TV-Interview. Und zu seiner Rolle im NS-Getriebe erklärte vor laufender Kamera freimütig: "Ich war mit Freuden dabei!"
Mit der Biografie des bis dato wenig bekannten österreichischen KZ-Arztes folgen die ZeithistorikerInnen Lisa Rettl und Peter Pirker einer Spur, die über den Vernichtungskrieg in Polen und der UdSSR durch die verschiedenen Konzentrationslager des Deutschen Reiches mäandert, nach Großbritannien führt und sich schlussendlich zu einem zutiefst österreichischen Stück Geschichte verdichtet: Sie manifestiert sich im Umgang mit NS-Tätern und ihren Opfern, im umfassenden Be- und Verschweigen, in der breiten gesellschaftlichen Hilfe für Kriegsverbrecher und letztlich auch in der zögerlichen strafrechtlichen Verfolgung.
Dank großer Akribie und außergewöhnlichem Quellenreichtum zeichnen Rettl und Pirker nicht nur den Lebensweg Ramsauers nach, sie skizzieren darüber hinaus einen bislang in der Zeitgeschichte unbearbeiteten Themenkomplex: den britischen Militärgerichtsprozess von 1947, Kärntens größten Kriegsverbrecherprozess.
Mit dem aktuellen Titel der Zeitgeschichte-Reihe schlägt der Milena Verlag ein neues Kapitel auf: Nicht der Verfolgten, Widerständigen und Ermordeten wird hier gedacht, sondern die "Normalität" eines Kriegsverbrechers aufgezeigt, und einmal mehr der Umgang der Zweiten Republik mit den Verbrechen des Zweiten Weltkrieges.