Sie muss sich erinnern, um zu überleben.
Als Clara aus dem Koma erwacht, ist ihr bisheriges Leben wie ausgelöscht. Sie erinnert sich weder an ihren eigenen Namen noch an ihren Ehemann, den Schriftsteller Roland Winter. Auch nicht an den Einbrecher, der sie niedergeschlagen haben soll. Freunde scheint sie keine zu haben – Roland ist ihre einzige Verbindung zur Vergangenheit. Mit seiner Hilfe wagt Clara einen Neuanfang. Bis jemand versucht, sie umzubringen. Und die junge Frau begreift, dass sie sich erinnern muss, um zu überleben. Schritt für Schritt rekonstruiert Clara ihr Leben und stößt auf eine geheimnisvolle Frau, mit der sie am Tag des Unglücks verabredet war. Und die seither spurlos verschwunden ist.
«Liebling!» Ein Strahlen breitet sich auf dem Gesicht des Mannes aus. Er hat überraschend helle blaue Augen. «Wie fühlst du dich?»
Liebling. Ich starre ihn an. Ich habe ihn noch nie im Leben gesehen.
Zahllose Fragen liegen mir auf der Zunge. Wer sind Sie? Was machen Sie hier? Was ist mit mir passiert? Doch als ich den Mund öffne, bringe ich nur ein heiseres Krächzen zustande.
Der Mann beugt sich vor. «Das kommt von den Schläuchen», sagt er mit sanfter Stimme. «In ein paar Tagen ist das abgeheilt.» Er sieht mich besorgt an. «Erinnerst du dich …?»
Ich schüttele den Kopf. Ich muss ihn fragen, wer er ist. Mein Freund? Mein Mann? Mein Bruder?
«Wer …?» Noch während ich das Wort krächze, fällt mir eine viel wichtigere Frage ein. «Wer bin ich?»
Der Mann starrt mich an. «Du – du weißt nicht …?»
Ich bewege den Kopf hin und her.
«Dein Name ist Clara Winter. Du bist meine Frau. Wir sind seit zwei Jahren verheiratet. Ich bin Roland Winter. Wir leben in Berlin. Ich bin Schriftsteller, und du …»
Ich schließe die Augen. Am liebsten würde ich mir die Ohren zuhalten und laut «Halt» schreien, doch dazu habe ich nicht die Kraft. Zu viele Informationen auf einmal. Als würde ich von einem Güterzug voller Wörter überrollt.
Clara Winter. Der Name sagt mir nichts. Ich spüre ihn nicht.
Kann es passieren, dass man sich selbst vergisst?
3 Kommentare zu „Das Gesicht meines Mörders“
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