Rudolf Harms entwickelt seine reich differenzierte Ästhetik des Films in Anlehnung an die Ästhetik seines Lehrers Johannes Volkelt und sucht deren auf Kant zurückgehende Polarität des Schönen und Erhabenen für das Verständnis des neuen Mediums fruchtbar zu machen. Doch sein systematisches Interesse richtet sich auf die Suggestionskraft, durch die sich der Film vor den traditionellen Künsten auszeichnet. Für Harms, der den Film mit Blick auf die photographische Wiedergabe als realistische Kunst einschätzt, ist der Film das Reich des Sichtbaren. Es gibt für ihn keine Kunst, die so berufen wäre, das 'Gesicht der Dinge' darzustellen, wie der Film. Da dieser zu allererst eine Handlung in Bildern gibt, ist er zugleich das Märchenbuch des modernen Erwachsenen. Obwohl noch ausschließlich auf den Schwarzweißfilm und den Stummfilm beschränkt, bietet das Buch in seiner Konzentration auf die wahrnehmungsästhetische und die narrative Dimension des Mediums - auf die Wirkung von Handlung als Bewegung in sinnlicher Anschauung - Einsichten in seine konstitutiven Möglichkeiten, die sich bis heute als Anschlussfähig erweisen.