Topas ist verschwunden, und zwar schon seit drei Wochen. Allmählich hat Justine die Nase voll von den Kassetten, die Topas bespricht und nach Hause schickt. Durch die wird man nämlich auch nicht klüger, ja man erfährt nicht einmal, wo sie steckt. Aber das ist wieder typisch für Topas: Anstatt endlich die längst fällige Erklärung für ihr Verhalten zu liefern, erzählt sie Geschichten. Sie versteht es wirklich, sich interessant zu machen.
«Höre, höre, höre», beginnt Topas ihre Kassetten. «Heute ist ein Wal angeschwemmt worden. Das gilt hier auf der Insel als ein schlechtes Vorzeichen. Ein sehr schlechtes Vorzeichen.» Vorzeichen? Topas ist doch eine vernünftige, trinkfeste Rundfunkredakteurin.
Aber hier auf der Insel scheinen die Gesetze der Vernunft außer Kraft gesetzt. Topas hatte gehofft, in dieser felsigen Einöde ihr inneres Gleichgewicht wiederzufinden. Seit sie – schuldlos – in einen Unfall verwickelt war, ist sie überzeugt, daß sie Tod und Verderben wie ein Magnet anzieht.
Rasch wird ihr klar, daß sie mit dem Leben auf der Insel erst recht nicht fertig wird. Und als Topas versucht, dem uralten Abt des verfallenen Klosters ihre Schuld zu beichten, erntet sie nur Hohngelächter. Was wiegt ihr schlechtes Gewissen gegen die große Schuld, die wie ein dichter Nebel auf der ganzen Insel zu lasten scheint?
Nur einem einzigen Menschen kommt Topas näher, Wants, dem vierzehnjährigen Sohn der so schönen wie herrischen Andrena. Er ist taubstumm und wird wie ein Tier an der Kette gehalten. Als Topas versucht, ihm das Sprechen beizubringen, entdeckt sie, daß er in Wirklichkeit sehr gut hören kann ...
Topas versucht zu fliehen, vor den Stimmen, die sie hört, den Zeichen, die sie sieht, den Menschen, die sie bedrängen, und den Abgründen, die sie anziehen. Doch wird sie die Insel je lebend verlassen?
Renate Dorrestein hat einen modernen Schauerroman geschrieben, in einer für dieses Genre sehr eigenen, sehr klaren Sprache. Dieses Buch, daran gibt es keinen Zweifel, hat den bösen Blick.