Der Roman „Wir sind nicht Staub im Wind“ von Max Walter Schulz, erstmals 1962 erschienen, wurde zu einem der erfolgreichsten Bücher in der DDR.
In diesem folgenden, in sich abgeschlossenen Buch führt der Autor die Gestalten, die mit einem „Unmaß an Hoffnung“ aus der Handlung entlassen wurden, in den dramatischen Augusttagen des Jahres 1968 wieder zusammen. Jetzt gilt es zu überprüfen, ob jene „unverlorene Generation“ den Weg in ein erfülltes menschliches Dasein gefunden hat, ob sie die inzwischen errungene Einheit von Macht und Geist im Sinne des Menschen zu gebrauchen weiß. Dabei hat die Entscheidung zu fallen, ob die Angst der früheren Welt überwunden und praktische Verantwortung aus inzwischen gewonnener Erkenntnis gewachsen ist. Mit einer ungewöhnlichen Episodenfülle, die der Autor ausbreitet, um seine nur wenige Tage umfassende Fabel poetisch umzusetzen, ist eine außerordentlich dichte Romanstruktur entstanden, die bis zur letzten Szenerie, einem Triptychon mit sieben Brücken, Charaktere und Handlungsabläufe zusammenhält.
LESEPROBE:
Da meldete sich eine Frau aus dem Kreis Eberstedt, die vor einigen Wochen bedingt geheilt aus der Nervenheilanstalt entlassen worden war. Die Frau sprach von einer anderen Frau mit Namen Süptis, einer unheilbaren, inzwischen verstorbenen, die immerfort gesagt habe, ihre Tochter, die Annedore, das Luder, wisse alles über alle. Von Hitler und Himmler angefangen bis ’runter zum Ortsbauernführer. Nach dieser Tochter war früher schon gesucht worden. Sie hatte bis zur letzten Stunde des Krieges in der Telefon-Vermittlungszentrale Eberstedt gearbeitet, als Geheimnisträgerin vereidigt. Man hätte das Mädchen als Zeugin auch in anderen Fällen gebraucht. Aber das Mädchen war unauffindbar geblieben. Die Entlassene behauptete aber, es sei eines Tages ein Päckchen für die Mutter abgegeben worden, darin habe sich auch ein Zettel mit einer Adresse befunden, wahrscheinlich die der Tochter. Die Angabe bestätigte sich. Unter den Habseligkeiten der Verstorbenen war der Zettel gefunden worden. Man hatte die Todesnachricht an die aufgezeichnete Adresse übersandt. Das Schreiben war nach Frankfurt am Main an A. Willewein gerichtet gewesen, war aber mit dem Vermerk «Unbekannt verzogen» an die Leitung der Heilstätte zurückgekommen. Trotzdem blieb wahrscheinlich, dass sich hinter A. Willewein die geborene Annedore Süptis verbarg, und unwahrscheinlich, dass ein Mensch nicht mehr auffindbar sein sollte.