Leni Behrendt nimmt längst den Rang eines Klassikers der Gegenwart ein. Mit großem Einfühlungsvermögen charakterisiert sie Land und Leute. Über allem steht die Liebe. Leni Behrendt entwickelt Frauenschicksale, wie sie eindrucksvoller nicht gestaltet werden können.
Es ist einem Witwer von fünfzig Jahren gewiß nicht zu verdenken, wenn er noch einmal heiraten will. Zumal dann nicht, wenn er über ein gutes Aussehen verfügt, gesund und vital ist und mit keinen wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen hat. Das alles traf auf den Besitzer einer großen Spirituosenfabrik und Weinkellerei, Egon Grodes, zu. Und doch gab es einige Menschen, die dem Mann diese Heirat verübelten. In erster Linie war das seine Tochter Alix, was Grodes mit Groll erfüllte. »Zum Kuckuck, ich habe es doch wirklich nicht nötig, mir von so einem Gör Vorschriften machen zu lassen!« brauste der tiefgereizte Mann auf. »Entweder läßt du von deiner aufsässigen Haltung ab, oder ich werde dir beibringen, wie man sich seinem Vater gegenüber zu benehmen hat.« »Bitte«, kam die Antwort fast gelangweilt von den Lippen des jungen, rassigen Menschenkindes. »Da bin ich tatsächlich neugierig, wie du das anstellen wirst.« »Alix, noch so eine schnippische Antwort – und du hast die erste Ohrfeige von Vaterhand weg!« schrie der Mann jetzt hochrot vor Zorn. »Und wenn die eine nicht hilft, dann ohrfeige ich dich so lange, bis ich dich zur Raison gebracht habe, verstanden?« »Gewiß«, versetzte sie mit aufreizender Ruhe. »Verstanden habe ich schon, aber –« »Kein Aber!« schnitt er ihr herrisch das Wort ab. »Du wirst dich bei dem heutigen Besuch meiner zukünftigen Frau so benehmen, wie es einem guterzogenen Mädchen zukommt.
1 Kommentar zu „Als die Rosen blühten am Rosenhaus“
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