Als, vor gut 2500 Jahren, der bereits damals in ganz China für seine Weisheit bekannte, kaiserliche Archivar Laotse dabei war, das zunehmend zerrüttete Reich Richtung Bergeinsamkeit zu verlassen, hielt ihn der Grenzwächter mit den Worten zurück, er dürfe erst passieren, nachdem er seine Weisheit niedergeschrieben habe.
Damit befand sich Laotse in der Zwickmühle. Hatte er doch gerade Letzteres, im Bewusstsein über dessen grundsätzlicher Unmöglichkeit, bisher wohlweislich vermieden.
Schliesslich, so die Legende weiter, beugte er sich dem Zwang des Beamten und verfasste im Zollhäuschen innert weniger Tage das «Dao Te Ching» (wörtlich: «Buch vom weltlichen Leben» oder eben «Leitfaden zur Lebenskunst»).
Um dem obgenannten Dilemma wenigsten ein Stück weit zu entkommen, stellte er dabei schon anfangs klar: «Die Worte, die man sagen kann, sind nicht die richtigen Worte.»
Wegen dieser Relativierung und nicht zuletzt auch in Bezug auf den als unfassbar geltenden Zentralbegriff dieses Klassikers der Weisheitsliteratur «Dao», ist die Zahl der bis heute verbreiteten Versionen und Interpretationen mittlerweile Legion. Die Gelehrten und Übersetzer schrieben dem «Dao» dabei behelfsmässig meist die deutschen Begriffe «Sinn» bzw. «Weg» zu.
Die hier vorgenommene Übersetzung verwendet für «Dao» des simplen Begriff «Welt», welchen der wohl präziseste und sprachgewandteste aller westlichen Geistesgrössen, Arthur Schopenhauer, als umfassendsten aller Begriffe charakterisierte.
Wie der Leser wohl grad selbst hat feststellen können, verleiht der Gebrauch des Wortes «Welt» für «Dao», sowie überhaupt die Schopenhauersche Weltsicht als Übersetzungshintergrund, dieser in ihrer friedvollen Schlichtheit und Lebensnähe zeitlosen literarischen Seelenmedizin eine faszinierende zusätzliche Prägnanz.