Auf den ersten Blick erzählt Katja Lange-Müller in den beiden Teilen ihres neuen Buchs zwei kuriose Ereignisse aus der Kindheit und Jugend einer Frau: Im achten Schuljahr wird die triste Routine des Schulalltags unterbrochen durch den Auftritt eines Mannes, der den Schülern in der Aula eine Sammlung von toten und lebenden Reptilien und Insekten vorführt. Jahre später geht die junge Frau durch ein neu eröffnetes Kaufhaus und landet im Keller als Gefangene eines dubiosen Warenhausdetektivs. Doch das, was sich aus diesen Ereignissen entwickelt, vor allem über die Art und Weise, wie diese beiden Episoden erzählt werden, macht Katja Lange-Müllers Buch zu einem Kunstwerk: genaueste Detailbeobachtungen, ein entwaffnender Humor und ein hochkomplexer sprachlicher Stil. Verfrühte Tierliebe ist ein Buch über die Einsamkeit des Erwachsenwerdens, über die peinigende Realität des Körpers im menschlichen Zusammenleben, über Macht und Ohnmacht zwischen Männern und Frauen. Und nicht zuletzt ist es ein Buch über ein Land, das es seit 1989 nicht mehr gibt.