In ihrem persönlichsten Buch erzählt Helga Königsdorf von sich und ihrem Leben. Ein Jahr vor Kriegsausbruch geboren, wächst sie als behütete Tochter in einem kleinen thüringischen Dorf auf. Die energische Mutter mit der Vorliebe fürs Gutbürgerliche spricht in der Wir-Form, wenn sie die Tochter meint: "Wir können nicht zeichnen" oder: "Wir mögen keine Zärtlichkeiten". Der Vater, ein erfindungsreicher Kleinunternehmer, später Landwirt, als Sohn einer jüdischen Mutter wehruntüchtig, als Bauer aber kriegswichtig, kommt in der DDR in die absurde Situation, sich als Großbauer selbst zu enteignen und fortan wissenschaftlich zu arbeiten. Die Familie zieht in die Stadt, das abenteuerliche Dorfleben ist damit für die Tochter vorbei. Keine Unternehmung kann ihr nun riskant genug sein, bis der Höhenflug durch einen Absturz beim Segelfliegen gestoppt wird. Aber es bleibt dabei: sie wählt immer den unüblichen, den unbequemen Weg, sucht immer die Herausforderung. So fällt die Entscheidung für ein Physikstudium, dann für die Karriere als Mathematikerin. Sie ist ehrgeizig und leidet unter dem schlechten Gewissen, wenn die Zeit für die Kinder zu knapp ist. Krisen in der Ehe kommen dazu und heftige Liebesaffären, die von der Partei gestoppt werden. Ein Sprung ins Wasser ist der Entschluß zu schreiben. Es sind freche, aufmüpfige Geschichten, für die sie ein dankbares Publikum findet, während sich die Zustände im Land, für deren Reformierung sie sich engagiert, immer weiter erstarren. Die Krankheit, die seit vielen Jahren unerkannt ihren Körper lähmt, hat einen Namen bekommen: Parkinson. Nun nimmt sie den Kampf um ein selbständiges und selbstbestimmtes Leben auf. In der Zeit der Wende sind ihre Tage und Nächte ausgefüllt mit politischen Aktivitäten, die alle ihre Kräfte herausfordern. Dann wieder der Alltag: in einer neuen Ordnung, mit neuen Strukturen und mit der fortgeschrittenen Krankheit. Zum Widerstand dagegen gehört die plötzlich entdeckte Fähigkeit zum Malen. Die Wohnung hängt voller Bilder, unten ihnen sitzt sie mit dem schwerhörigen Herrn G. und spielt Schach, ehrgeizig und trotzig wie immer.