In "Menschliches, Allzumenschliches" vollzieht Nietzsche nach dem Bruch mit Wagner einen entscheidenden Perspektivenwechsel: Er verwirft nun die noch in "Schopenhauer als Erzieher" vertretene Ansicht, Metaphysik sei für die menschliche Kultur unverzichtbar. Sein Ideal wird nun der "freie Geist", der mit unterschiedlichen Perspektiven experimentiert, um so möglichst vielen Erkenntnis-Perspektiven Gerechtigkeit angedeihen zu lassen Nach diesem Prinzip nimmt Nietzsche nun eine wissenschaftliche Perspektive ein und fordert ein "historische Philosophie", die mit strenger genealogischer Methode die Enstehung der menschlichen Vorstellungen untersucht. Mit dieser Methode könnten kleine "Wahrheiten" (im Sinne der gerechten Wahrheit) gefunden werden, die Nietzsche jetzt eindeutig höher bewertet als metaphysische und künstlerische Illusionen. Es geht ihm zwar immer noch um die Frage der Entwicklung einer hohen Kultur, aber nun sieht er die Möglichkeit einer Kultur des "freien Geistes". Obwohl Nietzsche seinen früheren Pessimismus aufrechterhält, verwirft er nun die Flucht in die Kunst als unaufrichtig, stattdessen empfiehlt er ein freies, unerschütterliches Schweben über den Menschen und Dingen, das an die stoische Ataraxia erinnert.