Anonym mit dem Untertitel Begegnungen ist eine Sammlung von eher obskuren Geschichten. Namengebend ist die erste Geschichte, in der ein anonymer Brief auftaucht. Wie die Protagonist*innen darauf reagieren entscheidet über den Fortgang. Oder wäre es sowieso so gekommen, wie es gekommen ist, egal, was sie tun?
Was wir tun oder auch unterlassen, hat einen Einfluss. Wie groß dieser ist, kann man oft erst im Nachhinein beurteilen. Dennoch müssen wir Entscheidungen treffen, die auf unzureichenden Informationen beruhen. Wir urteilen aufgrund der Gefühlslage, des Wissenstandes im Moment der Tat. Oder auch Unterlassung. Wie es sich auswirkt müssen wir abwarten. Vor allem löst unsere Aktion eine Reaktion aus. So wichtig wir uns auch immer nehmen wollen, auf diese haben wir keinen Einfluss. Die Geschichte geht ihren Gang und dieser wird bestimmt durch eine Verkettung von Vorkommnissen. Wer kann im Nachhinein sagen, was dazu führte. Schuld ist schnell zugesprochen, wenn man ein singuläres Ereignis aus der Kette herausgreift.
Anonym ist der Großteil an Dingen, die nicht in unserem Einflussbereich liegen. Sie liegen oft auch außerhalb unserer Wahrnehmung. Es kommt natürlich durchaus auch vor, dass wir bewusst Teile nicht wahrnehmen, die nicht in unser Weltbild passen. Dabei handelt es sich um solche, die nicht passen und nicht passend gemacht werden können. Unvoreingenommenheit, sich zusprechen lassen und die Wahrheit annehmen, das ist auch eine der Botschaften dieser Geschichten. Erwachsen sein, heißt damit umgehen können, dass nicht alles in unserer Sicht auf die Welt stimmig ist. Es zu verleugnen, macht es nicht besser. Ganz im Gegenteil Wir werden immer weniger verstehen.
Die Geschichten in Anonym sind auch ein Plädoyer für Offenheit. Ebenso wie Gelassenheit gegenüber dem, was wir selbst nicht beeinflussen können. Klug ist, wer unterscheiden kann zwischen dem Unbeeinflussbaren und dem, was der Moment von uns fordert.