Oscar- und Literaturnobelpreisträger Bernard Shaw erzählte in Candida eine Dreiecksgeschichte zwischen dem starken, männlichen, viel bewunderten Pfarrer Jakob Morell, seiner aufrichtigen, hübschen bürgerlichen Ehefrau Candida – die bald matronenhaft wird, sich aber noch im besten Licht zeigt – und deren schmächtigen, feinsinnigen, nach Liebe suchenden, poetisch begabten adeligen Verehrer Eugene Marchbanks. Der unwiderstehliche Morell, der Kirchenbesucher und ganze Versammlungen in Ekstase bringt, gerät ins Wanken, als Marchbanks ihn mit Vorwürfen über Ausbeutung seines Subjektes der Verehrung – Candida – bei der Haushaltsführung konfrontiert: Während der Ehemann predigte, müsste seine Ehefrau putzen. Auch Morell’s nette Sekretärin Proserpine, bei der er vermag, dass sie sich in ihn verliebt, fällt seiner Selbstverherrlichung zum Opfer. Morell versucht, einen Lehrer vorzuspielen, aber Eugene will nicht in seine Schule gehen. Nach einer Auseinandersetzung muss Candida, die Eugene’s Ehrerbietung nicht abgeneigt ist, zwischen dem Pfarrer und dem Dichter wählen: Morell bricht komödiantisch zusammen, Marchbanks behält die Nerven. Da Candida einzusehen imstande ist, dass der jüngere Marchbanks dem zweimal älteren Morell charakterlich schon jetzt weit überlegen ist, entscheidet sie sich für den charakterlich schwächeren Ehemann Morell. Der Altersunterschied zwischen Candida und Eugene spielt dabei auch eine gewisse Rolle. Eugene Marchbanks überlebt unbeschadet die Lehre und ist für Größeres als privates Glück bereit. Charaktereigenschaften der Protagonistin und Hauptfiguren definierend, schrieb der Dramatiker an seinen ersten deutschen Übersetzer Siegfried Trebitsch (22.12.1868 - 3.06.1956): „Dein Fehler ist es, Morell von Eugene als heftig und unmännlich schmähen zu lassen. Das macht ihn sofort zu einem echten Naseweis. Der springende Punkt dieses Stückes ist aber die Darstellung und die Offenbarung der Schwäche dieses starken und männlichen Mannes und die schreckliche Stärke des fieberhaften und unmännlichen Gegenübers. Morell spielt immer betont die Rolle eines starken und männlichen Mannes. Eugene spielt überhaupt nicht. Morell glaubt, dass er stark und männlich sein muss, um sich Candida’s Respekt zu verschaffen – und außerdem ist er stark und männlich und Candida’s Respekt würdig. Eugene bestreitet es nie, würdigt es nie herab, setzt dies nie herab – aber er wirft dagegen seine Schwäche, seinen „Horror“, seine Einsamkeit, seine Herzensnot in die Waagschale.