Im Juni 1994 gingen drei Menschen aus dem Rheinland – zwei Frauen und ein Mann – von Schwerin aus nach Osten: 14 Tage zu Fuß bis nach Feldberg, nördlich von Berlin.
Wir waren gewohnt zu wandern, mit Rucksack über mehrere Tage, meist in Landschaften mit Wäldern, mit Bergen und Tälern, Mittelgebirge, auch Hochgebirge. Nun aber lockte uns ein Land, das wir nicht kannten, nicht kennen konnten, Mecklenburg war uns verschlossen gewesen, wir hatten keine Verwandten dort, die man besuchen konnte; eine individuelle Streckenwanderung über mehrere Tage mit ungeplanten Übernachtungen – dafür hätten wir schwerlich eine Genehmigung bekommen. Aber nun, nach der Wiedervereinigung, war es möglich, wenn auch nicht immer einfach. Es gab ein paar kleinere Strecken, die wir fahren mussten – mit dem Bus, der Bahn und dem Schiff, anders wäre der Tag zu lang und nicht zu bewältigen gewesen. Abgesehen davon sind wir gegangen, durch einige der schönsten Landschaften Norddeutschlands.
Und das war es, was uns interessierte: die Landschaft. Über die DDR, über das, was in ihr passierte oder nicht passierte, haben wir nur selten mit den Menschen gesprochen, denen wir begegneten. Das war nicht Desinteresse, sondern eher die Scheu, zu fragen und über Dinge zu reden, von denen wir nichts verstanden. Und auf gar keinen Fall wollten wir mit Vorurteilen durch dieses Land gehen – wir ließen alles auf uns zukommen.
Der Text "Sandwege. Wasserwege" entstand unmittelbar nach unserer Heimkehr und lag 20 Jahre lang in einer Mappe. Ich habe ihn wieder hervorgeholt und nur unwesentliche Änderungen daran vorgenommen.