Zentraler Gegenstand von Heinrich Glareans "Dodekachordon" (1547) ist die Tonartenlehre. Andrea Horz zeigt die vielschichtigen Vernetzungen und intertextuellen Bezüge auf, die diesem Musiktraktat eingeschrieben sind. Durch die Verortung der Schrift innerhalb einer übergreifenden Wissenschaftsbewegung, speziell im Kontext des Humanismus erasmischer Prägung, eröffnet die Studie über unmittelbare musikhistorische Belange hinausgehende Forschungsperspektiven. Innerhalb der kirchenpolitischen Auseinandersetzungen positioniert sich Glarean mit dem "Dodekachordon" in Abgrenzung zu den verschiedenen reformatorischen Parteien als katholisch-humanistischer Reformer der Kirchenmusik. Gleichzeitig impliziert die paratextuelle Gestaltung des Druckes die Verwendungsmöglichkeit als Musikanthologie, in der Glarean neben Josquin Desprez in besonderer Weise Ludwig Senfl und Jacob Obrecht als herausragende Komponistenpersönlichkeiten inszeniert. Zudem ist das "Dodekachordon" Dokument der intensiven Auseinandersetzung mit Boethius' "De Institutione Musica" – es ist die humanistische Adaption des traditionsreichen Musiktraktats.