Die Mittelmeerregion ist ein klassisches Urlaubsziel und Horden von blassen Touristen aus dem kälteren Norden Europas fallen jedes Jahr in die Länder ein, um sich mal einen zünftigen Sonnenbrand zu holen und das Leben unter südlicher Sonne zu genießen. Spanien rangiert dabei ganz oben auf der Liste der Urlaubsziele und insbesondere Mallorca steht nach wie vor hoch im Kurs. Die spanische Baleareninsel hat es uns wirklich angetan und wird bisweilen scherzhaft schon als das 17. Bundesland der Deutschen bezeichnet. Doch der Tourismus ist für Spanien allgemein ein wichtiger Wirtschaftszweig. Die mehr als 80 Millionen Touristen, die jedes Jahr das Land besuchen, bringen viele Einnahmen, aber auch so einige Probleme. Barcelona zum Beispiel ist mittlerweile so überrannt, dass es sogar für kampferprobte Touristen ein zweifelhaftes Vergnügen ist, sich durch die Massen in der Stadt zu drängen, während es für Einheimische zunehmend schwieriger wird, bezahlbaren Wohnraum zu finden.
Von den positiven wie negativen Seiten der spanischen Lebensfreude weiß auch unsere Kollegin Verena zu berichten, die ein Jahr in Barcelona gewohnt hat: „In der ersten Woche wurde ich bereits mit dem konfrontiert, was man sich in Deutschland gemeinhin unter spanischer Lebensfreude vorstellt: Sämtlichen Klischees entsprechend wurde ich um 5 Uhr früh wach, weil auf der Straße vor meiner neuen Wohnung jemand in vollster Lautstärke seines Soundsystems im Auto „Baila me“ von den Gipsy Kings abspielte. Dies sollte sich, mit wechselnden Interpreten, während meines Jahres in Barcelona noch oft wiederholen. Generell gewöhnte ich mir, soweit es möglich war, einen etwas anderen Lebensrhythmus an: Später Abendessen, später ins Bett, dafür wann immer möglich ein ausgiebiger Mittagsschlaf.“
Und während die einen unbedingt nach Spanien wollen, können die anderen kaum erwarten, es zu verlassen. So zumindest Manuel, der Protagonist in Antonio Muñoz Molinas Roman „Der polnische Reiter“. So bald wie möglich möchte er heraus aus seinem provinziellen andalusischen Heimatort Mágina und hinein in die Metropolen der Welt, nach Madrid, Paris, New York oder San Francisco. Schließlich begegnet er auf einem Kongress der schönen Nadia, folgt ihr nach New York und sieht sich bereits am Ziel seiner Träume. Doch es stellt sich heraus, dass Nadia ebenfalls mit seiner Heimat Mágina verbunden ist. Gemeinsam vertiefen sie sich in die Geschichte ihrer Stadt, zu der sich Manuel letztlich mehr und mehr zurücksehnt …
Während Spanien bei den Deutschen ganz oben rangiert, ist nach Besucherzahlen gerechnet Frankreich das beliebteste Reiseland der Welt – über 80 Millionen Besucher strömen pro Jahr in unser Nachbarland und somit mehr, als Frankreich Einwohner hat. Ob Rousseau, Proust, Camus oder Sartre – Frankreich verfügt über eine Vielzahl großartiger Schriftsteller, die in der Vergangenheit für viel Furore gesorgt haben. Doch auch die gegenwärtige Riege französischer Schriftsteller kann sich sehen lassen. Hier ist allen voran Patrick Modiano zu nennen, der 2014 den Literatur-Nobelpreis erhielt. In der Begründung der Jury wird seine „Kunst des Erinnerns“ besonders hervorgehoben und darum geht es auch in seinem Roman „Ein so junger Hund“. Es erzählt von Paris im Frühling 1992: Der Protagonist stößt auf ein altes Foto, und seine Erinnerung setzt sich in Gang. Das Bild stammt von Francis Jansen, dem bekannten Fotografen mit der Rolleiflex, der bald darauf für immer verschwand. Das war 1964, es war Frühling in Paris, und der Erzähler ein so junger Hund …
Wenn es um Urlaubsziele am Mittelmeer geht, darf Italien natürlich nicht fehlen. Spätestens seit den 1950er-Jahren, als lange Schlangen deutscher Autos über den Brenner nach Süden rollten, haben wir unsere Liebe für dieses Land entdeckt. Für jeden Geschmack ist etwas geboten, stolze 51 Weltkulturerbe-Stätten nennt Italien sein eigen, darunter eine exquisite Auswahl an antiken Bauten. Doch auch Naturliebhaber kommen auf ihre Kosten, egal ob in den Bergen der Alpen oder des Apennin oder an der Küste mit herrlichen Buchten und Stränden.
Kollegin Saskia kam kürzlich braungebrannt und tiefenentspannt aus dem Urlaub in Italien zurück und hat einige Inspirationen und Gründe, warum Italien eine lohnenswerte Destination ist: „Erst Ende Juni habe ich meinen Urlaub in Süditalien, genauer gesagt in Kalabrien, verbracht. Dass Italien ein wunderschönes Fleckchen Erde ist, ist ja weitreichend bekannt, aber der Süden hat noch mal seinen ganz eigenen Charme: Während Du an der ionischen Meeresküste an verschiedenfarbigen Sandstränden mehrere hundert Meter ins Wasser waten kannst, stellen an der thyrrenischen Seite malerische Steilküsten wunderschöne Fotokulissen dar. Kulinarisch reiht sich ein Highlight an das nächste: Neben selbstgepresstem Olivenöl sowie Nektarinen frisch vom Baum, in Bergamotte-Öl getränkte Kekse und herrliche Gemüse- und Fischgerichte, die mit der berühmten Tropea-Zwiebel verfeinert werden, habe ich mein Herz an das Tartufo-Eis aus Pizzo verloren.“ Und wer noch geeignete Literatur für den (Italien-)Urlaub sucht, dem sei der bewegende Coming of Age-Roman „Der Regen in deinem Zimmer“ ans Herz gelegt.
Es gibt etwa 200 Inseln im Mittelmeer und doch verweilen 90% der Touristen nur auf etwa 10 % der gesamten Eilande. Im Umkehrschluss bedeutet dies natürlich, dass es auch noch relativ ruhige und unerschlossene Destinationen gibt. Malta ist vielleicht kein absoluter Geheimtipp mehr, aber auch gleichzeitig längst nicht so überrannt wie einige andere Inseln im Mittelmeer. Um eine tragische Liebesgeschichte vor der atemberaubenden Kulisse Maltas geht es im Buch „Mondtänzerin“: Einst waren Alessa, Viviane, Peter und Giovanni beste Freunde und schworen sich in den Katakomben von Malta ewige Treue. Zwei von ihnen, Alessa und Giovanni, wollten sich für immer lieben – bis Giovanni verschwand. Jahre später kehrt Alessa auf ihre Heimatinsel zurück. Sie ist ihren eigenen Weg gegangen, aber sie hat Giovanni nie vergessen. Als er eines Morgens vor ihrer Tür steht, lodert die nie erloschene Leidenschaft wieder auf. Doch das Glück währt nur kurz, und die Schatten der Vergangenheit drohen, alles zu zerstören. Werden sie einen Weg finden, um für immer zusammenbleiben zu können?
Weiter gen Osten finden wir mit Griechenland eine andere beliebte Touristendestination. Das Land Homers und zahlreicher antiker Stätten wie der Akropolis zieht jedes Jahr viele Besucher aus aller Welt an. Griechenland ist sicher und dabei für nahezu jedes Budget noch erschwinglich und gerade an der Küste gibt es in der warmen Jahreszeit geradezu eine Sonnengarantie.
Doch das Leben war nicht immer so angenehm und auch in Griechenland sind, wie in nahezu allen europäischen Nationen, die Nachwirkungen der blutigen und kriegerischen Vergangenheit des Kontinents noch spürbar. Der Erste Weltkrieg, die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts, hat auch hier ihre Spuren hinterlassen. 1917 trat Griechenland in den Krieg gegen die Mittelmächte ein und von den Erfahrungen in diesem grausamen Konflikt berichtet der Roman „Das Leben im Grabe“. In ihm -beschreibt der Feldwebel Antonis Kostoulas eindrucksvoll seiner Frau das monotone Leben und die Brutalität der Kämpfe in den Schützengräben. Der hohle Patriotismus und nationale Mythen werden sarkastisch infrage gestellt; lyrische Erinnerungen an das Leben auf der nordägäischen Insel fungieren als Intermezzi, aber auch als Kontrast, um die Grausamkeit der Schlacht noch plastischer zu schildern. Dass man von Anfang an weiß, die Tagebuchseiten werden die geliebte Frau, für die sie aufgezeichnet wurden, nie erreichen, stärkt die dramatische Ironie. Der Roman, der in einer Reihe mit den antimilitaristischen Werken von Barbusse und Remarque steht, wurde durch die faschistische Diktatur 1936 sowie während der deutschen Besatzung Griechenlands auf den Index der verbotenen Bücher gesetzt. Mittlerweile ist er zum Klassiker geworden und wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt.
Noch weiter im Osten, vor dem türkischen Festland schließlich liegt Zypern am äußersten Rand Europas. Die Insel ist ein Beispiel dafür, wie die Konflikte der Vergangenheit bis in die Gegenwart hineinwirken und es noch nicht gelungen ist, diese vollständig zu überwinden. Zunächst kämpften die Zyprioten gegen die britische Besatzung, um ihre Unabhängigkeit zu erzwingen. Der Konflikt nahm in den 1950er-Jahren an Schärfe zu und um die Liebe in Zeiten des Krieges geht es im Roman „Die Schattenträumer“, der im Zypern des Jahres 1955 spielt. Der 15-jährige Loukis trennt sich von seiner großen Liebe, um sich einer Widerstandsgruppe in den Bergen anzuschließen. Er ist fest entschlossen, den Tod seines Bruders Nicos zu rächen, der von den britischen Besatzern erschlagen wurde. Jahre später kehrt er in sein Dorf zurück, und nichts ist mehr wie zuvor. Eine schmerzvoll schöne Familiensaga über Liebe und Trennung vor dem Hintergrund der Konflikte, welche die Insel bis heute nicht zur Ruhe kommen lassen.
Nachdem Zypern 1960 endlich seine Unabhängigkeit erlangte, nahmen die Konflikte zwischen türkischstämmigen und griechischstämmigen Zyprioten zu. Die Lage eskalierte schließlich 1974, nachdem griechische Putschisten den Anschluss Zyperns an Griechenland durchsetzen wollten. Daraufhin besetzte die Türkei den Norden der Insel, in dem vorwiegend türkischstämmige Zyprioten leben. Seitdem ist die Insel geteilt und quer über das Eiland verläuft eine Pufferzone, die von Friedenstruppen der Vereinten Nationen überwacht wird.
Besucher Zyperns kommen somit in den zweifelhaften Genuss, in Nikosia die letzte geteilte Hauptstadt Europas entdecken zu können. Mit ihrer Greenline und den Checkpoints erinnert sie dabei an manchen Stellen ein wenig an Berlin vor dem Mauerfall. Doch während die deutsche Teilung schließlich überwunden werden konnte, ist sie auf Zypern weiterhin bittere Realität. Einmal mehr ist dieser Konflikt eine Erinnerung, wie wenig selbstverständlich und teilweise fragil der Frieden in Europa ist. Auch hinter den glitzernden Fassaden der Urlaubsländer lauern also noch einige ungeklärte Konflikte.
Mit ihrem reichen Angebot an Kultur und historischen Sehenswürdigkeiten in Kombination mit außergewöhnlicher Natur, feinen Stränden und einem angenehmen Klima geizen die Länder Südeuropas wahrlich nicht mit Reizen. Ob unsere absoluten Lieblingsziele in Spanien und Italien oder etwas fernere Destinationen im östlichen Mittelmeer, nun da die Urlaubszeit da ist, wird es wohl viele in den sonnigen Süden ziehen. Mit unseren Literaturtipps und Anekdoten hast Du hoffentlich ein paar Inspirationen gewonnen, was Du lesen möchtest, solltest Du Dich alsbald unerwartet an einem Strand am Mittelmeer in einem Liegestuhl wiederfinden.
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