Es ist eine Vernissage, die den Schriftsteller auf die Insel bringt. In der Betrachtung von Bildern kann er, wie in der Betrachtung des Meeres, seit jeher versinken. An diesem Abend auf Usedom jedoch spricht ihn ein Fremder an, der von seiner Beschäftigung mit der Sage vom versunkenen Vineta weiß und sich darüber lustig macht. Erinnerungen tauchen auf: das erste Gedicht, das der Schriftsteller als 14-Jähriger eines Nachts an der zugefrorenen Ostsee verfasste; das Ende der Kindheit; die regelmäßige Wiederkehr nach Usedom, das von alters her mit Vineta verbunden ist. Was hat es auf sich mit dieser sagenhaften Stadt, die dem Schriftsteller als Bild des untergegangenen Landes erscheint, aus dem er stammt? Der Fremde ist hartnäckig. Und entpuppt sich bald als Wiedergänger einer der umstrittensten Figuren des letzten Jahrhunderts: Wernher von Braun, der im ehemaligen Fischerdorf Peenemünde die V2-Rakete entwickelte. Im Streit um ihr Leben, im Streit um die Entscheidung, fortzugehen, neu zu beginnen, zurückzukehren, erscheint dem Raketeningenieur wie dem Schriftsteller die Vergangenheit in neuem Licht.
Während ihres Gesprächs erstrahlt die Insel in den wechselnden Farben des Meers und des Himmels. Sie ist nicht stumm, die Winde reden immer mit. Uwe Kolbes innige Auseinandersetzung mit einem großen Motiv aus der Sagenwelt ist zugleich eine poetische Liebeserklärung an Usedom – und an die See.