Hörfunkjournalismus und Musikprogramm im gesellschaftlichen Wandel

Jugendradio DT64 – von den einen assoziiert als ehemaliger Propagandasender für die Jugendlichen in der DDR, von den anderen geschätzt als kritischer Begleiter in den politischen Wirren im Wendeherbst 1989. Von den einen für seine linkstendenziöse Berichterstattung beschimpft, von den anderen für gut recherchierten Journalismus und nicht immer bequeme Berichterstattung gelobt. Von den einen beschimpft für eine unausgegorene, kommerziellen Ansprüchen nicht genügende Musikauswahl, von den anderen gelobt für ein weit gefächertes Musikprogramm mit vielen Spartensendungen. – Kaum ein anderer Radiosender wurde am Anfang der neunziger Jahre so oft zugrunde geredet und so oft in den Himmel gehoben wie dieser.
Diese Arbeit soll die Entwicklung von Jugendradio DT64 im Laufe der Umgestaltung der ostdeutschen Rundfunklandschaft in den Jahren 1989 bis 1993 aufzeigen, eine Geschichte zwischen Aufbruch und Enttäuschung, zwischen Veränderungen und Widersprüchen und dem ständig präsenten Anspruch, intelligentes Radio für junge Leute machen zu wollen. Aber es wird nicht genügen, sich auf die Zeit nach der Wende zu beschränken, es wird notwendig sein, zurückzuschauen auf davor liegende Entwicklungen, um die Sachverhalte dieses Zeitraumes verstehen und einordnen zu können.
Wichtige Aspekte der Diskussion um die Fortführung von DT64 nach dem Ende der „Einrichtung des Rundfunks der DDR nach Artikel 36 des Einigungsvertrages“ sind einerseits die in diesem Zusammenhang stehenden politischen Bestrebungen, die letztlich die Übernahme dieses Programmes durch den MDR erst ermöglichten. Andererseits gilt es, eine Hörerbewegung zu betrachten (Teil C), die in der deutschen Radiogeschichte wohl einmalig ist und die mit phantasievollen Aktionen das Jugendradio DT64 zu einem öffentlich diskutierten Thema machte.
In weiteren Teilen beschäftigt sich diese Arbeit mit dem Programm von DT64, mit denen, die es gemacht haben und mit denen, die es gehört haben. Das Hauptaugenmerk wird dabei darauf liegen, wesentliche Veränderungen aufzuzeigen, denen Kommunikatoren, Programm und Rezipienten in den Jahren von 1989 bis 1993 unterlagen.