Hier geht es konkret um die Frage, die wohl eine zeitlose Aktualität hat: ob nicht die Kirche und wir Christen noch mehr und intensiver selbst Lernende sein müssten. Hübner greift damit die Intention von Papst Johannes XXIII. auf, die ihn bewog, das 2. Vatikanische Konzil einzuberufen. Der Papst war davon überzeugt, dass die Kirche nicht nur Lehrerin der Völker ist, sondern dass sie selbst auch lernende Kirche sein muss. Sie muss sich verheutigen, um besser von dem reden zu können, was die Mitte ihres Auftrag ist: das Evangelium unseres Herrn Jesus Christus aller Welt und jeder Generation neu anzubieten. Dazu bedarf es zum einen eines gehorsamen Hinhörens auf den Geist Gottes, der die Kirche durch allen Wandel der Zeiten geleitet und im Glauben bewahrt. Aber es bedarf zum anderen eines ebenso intensiven Hinhörens auf die jeweilige Gegenwart, in der die Kirche ihren Auftrag zu erfüllen hat.
Damit aus dem kostbaren Erbe, das die Kirche weiterzugeben hat, ein neues Angebot für die heutige Generation werden kann, braucht es eine wache kirchliche Aufmerksamkeit für die sich wandelnde Geschichte und Kultur, für die Sehnsüchte und Fragen der Menschen, für Erfahrungen, die sich aus einem geweiteten Wissens- und Erfahrungshorizont der Menschheit heute ergeben. Kurz: Es bedarf eines gereiften, lernbereiten, gleichsam erwachsen gewordenen Glaubens, der auf der Höhe der Zeit und ihres Denkens ist, um besser zu verstehen, was Andere, nicht zuletzt auch Nichtglaubende bewegt.
Joachim Wanke, Bischof em. von Erfurt
Herausgeber: Hans-Jürgen Sträter, Adlerstein Verlag