"Nichts im Fall Kaspar Hauser ist einfach. Alles ist dunkel, verworren, voll von Widersprüchen." Zu reizvoll ist die Geschichte des jungen Wilden, der aus dem Nichts heraus am Pfingstmontag 1828 mit einem Zettel in der Hand mitten in Nürnberg auftaucht und seitdem Gegenstand wilder Spekulationen ist. Im 21. Jahrhundert sind die wesentlichen Dinge erforscht und geklärt. Insbesondere das hartnäckige Gerücht, Hauser sei eigentlich der (vertauschte) Erbprinz von Baden, wurde mittels DNA-Analyse widerlegt. Trotzdem ist die vorliegende Monografie von 1925 eine hochinteressante Lektüre! Rudolph Stratz gehörte zu den bekanntesten Unterhaltungsautoren der Wilhelminischen Ära. Der historische versierte Heidelberger deutschrussischer Herkunft hat viele Romane geschrieben, die auf historischen Tatsachen beruhten. Seine Monografie erzählt aber nicht das rätselhafte Leben des "Findlings" nach, sondern stellt, teilweise mit romanhaften Passagen, bekannte Tatsachen den Theorien und Erklärungsversuchen seit 1830, also von Beginn an, gegenüber. Verwickelt in die Legendenbildung waren nicht nur die Nürnberger selber, sondern neben vielen anderen auch das bayrische Königshaus oder Ludwig Feuerbach. Es lohnt sich sehr, dieses lebendig geschriebene Zeitbild über die Biedermeierzeit wiederzuentdecken.-