»An meine Söhne und Enkel. Zu öffnen ein Jahr nach meinem Tode.« So habe ich auf den versiegelten Umschlag dieser Schrift geschrieben. Wenn Ihr die Siegel brecht – Ihr, meine Söhne – und Ihr vom übernächsten Geschlecht, so öffnet Ihr mit diesen dann längst vergilbten Blättern eine Beichte der Schuld und der Reue. Einer Schuld, die mein Leben lang in mir schlief. Einer Reue, die mein Leben lang in mir wachte. Ihr, meine Söhne, habt dann vielleicht schon längst Euren Söhnen berichtet, was Euch selbst nur noch durch Hörensagen zukam: daß ich, Euer Vater, in jungen Jahren ein Mensch war, der das Leben unbedenklich in durstigen, allzu durstigen Zügen trank – gleichviel, wo seine Quellen schäumten –, für den Leben Lachen hieß und Lachen Lieben – und der über Nacht ein anderer wurde – unversehens – inmitten des fröhlichsten Walzertraumes, unter der heißen Wintersonne des Engadins – kurz vor seiner Hochzeit – und der das zeitlebens blieb, was er da wurde, der ernste Mann der Pflicht und Arbeit, als den Ihr und seine Nächsten, seine Freunde, alle Welt ihn kennt. Aber das Rätsel dieser Wandlung kennt von Euch allen keiner. Dies Rätsel lösen diese Blätter. Diese Blätter sollen beichten, was nur drei Menschen auf Erden, während ich dies schreibe, wußten und wissen. Ich – meine heißgeliebte Frau, Eure Mutter – und noch einer – den ich nicht kenne, von dem ich nicht weiß, wie er hieß – wer er war – von wo er kam und in mein Leben trat ... Ich schreibe es nieder, wie es war. Es ist Zeit genug seitdem vergangen, daß ich mich selbst in der Entfernung der Jahre klar, fast als einen Fremden vor mir sehe – in doppelter Gestalt, Richter und Angeklagter zugleich. ...