Raphaël Confiant beschwört nicht die großen Gefühle und beschränkt sich auf den Mikrokosmos seiner Insel, dennoch gelingt ihm eine Art Geschichtsschreibung der kreolischen Welt Martiniques. Seine Prosa ist wie ein Wirbelsturm, und wer sich von ihr mitreißen läßt, wird nur ungern in die windstillen Gefilde der gemäßigten Breiten zurückkehren.
Grand-Anse, das Dorf im Norden Martiniques, in dem dieser Roman spielt, schmiegt sich in beinahe antiker Verteidigungshaltung an die Atlantikküste. Seine Bewohner leben von und mit dem Meer, das verflucht ist und unfruchtbar, aber immer auch lebenswichtig. Der Erzähler verbringt seine Kindheit in diesem Dorf, hauptsächlich im Laden seiner Patin und Ziehmutter Eau de Café. Dieser Laden ist ein gesellschaftlicher Mittelpunkt des Ortes und wird frequentiert von Charakteren, die vom Wind hereingeweht oder vom Meer hereingespült scheinen.
Raphaël Confiant zeichnet eine eigenständige kleine Welt, in der geliebt wird und gehaßt, Zaubersprüche verhängt, Intrigen gesponnen, Streitigkeiten ausgetragen und Katastrophen durchgestanden werden – und ein Geheimnis bewahrt wird, das der Erzählung ihren besonderen Sog verleiht.
(Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)