"Es ist merkwürdig. Die eigene Lage wird ernster - immerhin gehe ich nun auf die fünfundsiebzig zu -, aber die Welt nötigt mir immer häufiger ein mildes oder amüsiertes Lächeln ab. Die Welt in Gestalt von überängstlichen oder aufgeregten oder großmächtigen Zeitgenossen zum Beispiel. Zwar habe ich mir auch früher Freiheiten genommen - die Freiheit, Dinge beim Namen zu nennen, oder die Freiheit, mich lustig zu machen. Mit den Jahren hat die innere Freiheit allerdings weiter zugenommen. Sie ist ein schönes Geschenk des Alters.
Mit Applaus werden die meisten von uns nicht rechnen dürfen. Umso dringender haben wir den Humor in unseren späten Lebensjahren nötig. Denn eigentlich ist es ja zum Schreien. Zum Schreien komisch und zum Schreien traurig: Die Kräfte nehmen ab - ausgerechnet jetzt, wo wir noch nie so gut waren. Wo wir noch nie so reich waren, reich an Erfahrungen, reich an Wissen, reich an Verständnis, Einsichten und Menschenkenntnis. Haben wir uns das früher nicht immer gewünscht, diese Gelassenheit, diese Selbstsicherheit, diese innere Freiheit, diese Souveränität?"
Abtprimas Notker Wolf