Betty fuhr den Computer hoch und nippte an ihrer Kaffeetasse. Montage gehörten nicht gerade zu ihren Lieblingstagen. Auch nach Jahren der Berufstätigkeit hatte sie sich noch nicht an das frühe Aufstehen gewöhnt, und an den Montagen wurde die Schlummertaste ihres Weckers gern überstrapaziert. Ohne den starken Kaffee würde sie noch schlechter in Gang kommen und auch die ersten Stunden im Büro verträumen.
Seufzend schlug sie die obere Akte vom rechten Stapel auf und zuckte zurück. Auf dem ersten bedruckten Blatt klebte ein gelbes Post-it, von Hand bekritzelt. »Schreib mir! deinergebenersklave@yahoo.com«
Verdutzt nahm sie den gelben Zettel in die Hand und sah sich im Büro um. Die Kollegin saß in Akten vertieft an ihrem Schreibtisch, der Tisch direkt hinter ihr war leer, der Kollege noch nicht da.
Was sollte das sein? Ein dummer Witz?
Verärgert zerknüllte sie das Post-it und warf es in den Papierkorb, bevor sie sich wie gewohnt über ihre Arbeit hermachte.
Papierkram und Telefonate bestimmten den Alltag in der Schadensabteilung der großen Versicherung. Nicht wirklich spannend, aber sie verdiente ganz gut und konnte sich schlechtere Jobs vorstellen. Kassiererin im Supermarkt zum Beispiel, das würde sie stressen. Oder Gärtnerin, da müsste sie bei Wind und Wetter draußen sein.
So hatte sie immerhin einen bequemen Platz am Schreibtisch, im Sommer angenehm klimatisiert und im Winter schön warm. Gemütlich eben, so wie sie.
Ihre Figur verriet sowieso jedem, der sie nicht kannte, ihr eher ruhiges Temperament. Klar, sie saß ja schließlich den ganzen Tag am Schreibtisch, das Kantinenessen war meistens viel zu fettig, und am Nachmittag erfasste sie immer dieser Heißhunger auf Süßes, der unbedingt am Snackautomaten gestillt werden musste. Ein Schokoriegel hier, ein Tütchen Weingummi da, und schon zeigte die Waage am Wochenende wieder viel zu viel an.