Martin, so etwa 50, hochverschuldeter Familienvater und Hobbywanderer, hat die Nase voll von der überbordenden Menge an Literatur über Weitwandern in Nord-Spanien oder persönliche Rekordversuche nach dem Motto weiter, schneller, verrückter. Wer den Jakobsweg nicht gegangen ist, hat nicht gelebt, unter 5000km verlässt anscheinend kein Weitwanderer mehr die eigene Bude und ohne ein Buch darüber zu schreiben, auch nicht. Der Ego-Trip will schließlich finanziert sein.
Weitwandern scheint ohne erhobenen Zeigefinger, missionarische Ansätze zu mehr oder besserem Lebensgefühl, Grenzerfahrungsgedöns oder -verschiebungsjubel nicht mehr präsentabel zu sein. Mindestens eine Midlife-Crisis mit Bewusstseinserweiterung oder ein Aussteiger, der alles ganz anders und natürlich viel besser macht und der Alleinerziehenden mit Doppel-Job, um die Kinder durchzubringen, als omnipräsentes Menetekel des eigenen Versagens vorkommen muss, ist immer dabei.
Und das nervt.
Es muss doch auch ohne das alles gehen. Einfach so passieren können, ganz selbstverständlich, unaufgeregt im normalen Leben und ohne Rekordansatz. Vor allem mal nicht in Spanien. Anstatt erst um die halbe Welt zu fliegen, um irgendwo an einem hippen Ort mit tausenden anderen irgendwas zu sehen oder zu gehen, startet der Autor also von zuhause, fällt direkt aus der Haustür und wird sein eigenes Land zu Fuß durchqueren und dabei entdecken. Immer ein Stückchen weiter, um genau auf dem Längengrad, der sein Haus an den Alpen durchzieht, aber jetzt über 1000km weiter nördlich, an der Ostsee wieder herauszukommen.
Auf schnodderige und teilweise satirische Weise erzählt der Autor von seiner Wanderung und lässt den Leser teilhaben an schönen wie unschönen Momenten auf diesem Weg. An Land- und Ortschaften, Beobachtungen am Wegesrand und Einsichten über ein wunderschönes Heimatland, einen ganz normalen untrainierten Körper und seine immer wieder überraschenden und oft sehr schmerzhaften Reaktionen. Er teilt Eindrücke und Erfahrungen, Erinnerungen und Gedanken rund ums Gehen -Erfolge und Scheitern, kleine Katastrophen und tiefe Sinnkrisen – immer mit einem großen Augenzwinkern und ohne sich selbst ansatzweise ernst zu nehmen. Eine lustige aber niemals unseriöse Hommage an das Wandern, den Normalo in uns und das eigene Land, das vielen Landsleuten vermutlich weniger geläufig ist als Mallorca.
Und am Ende dann doch ein Buch - die Hypothek will bedient werden.