Das ist die Geschichte der adligen Familie Karenin, einer dekadenten, in gesellschaftlichen Normen erstarrten Sippe. Die Kälte ihres Gatten treibt die sensible Anna dem wesentlich jüngeren Grafen Wronskij in die Arme. Diese stark sexuell orientierte Beziehung endet im Fiasko. Schließlich richtet Anna sich selbst, aber auch ihren Mann und den Geliebten zugrunde. In der anderen großen Figur des Romans, dem Gutsbesitzer Lewin, hatte sich Tolstoi selbst verewigt. Nach "Krieg und Frieden" war dies der zweite große Roman seines Lebens und begründete damit seinen Weltruhm als Schriftsteller.
Leo Tolstoy (7.9.1828 - 20.11.1910) entstammt einem alten russischen Adelsgeschlecht. Tolstoys Bedeutung für die Kirchen- und Theologiegeschichte auch außerhalb Russlands ist unumstritten. Besonders pazifistische Bewegungen sorgen bis heute für eine breite Rezeption Tolstoys auch außerhalb des Bereichs der Literatur. "Krieg und Frieden" und "Anna Karenina" markieren den Höhepunkt der schriftstellerischen Laufbahn Tolstoys. Doch seine Einsichten, die er zusehends durch sein soziales Engagement erwirbt (sein Kampf gegen Leibeigenschaft und Todesurteil) führen ihn mehr und mehr in die Krise und sogar zur Exkommunikation und unter geheime Polizeiaufsicht, was aber nicht hinderte, dass er 1900 Ehrenmitglied der Russischen Akademie der Wissenschaften wurde (den Nobelpreis lehnte er 1901 ab).