Reise zum Mittelpunkt der Erde ist einer der wenigen Romane von Jules Verne, deren Vision wohl niemals Wirklichkeit wird: Dafür ist es im Erdinnern einfach zu heiß. 1864 war das allerdings noch keine gesicherte Erkenntnis, sodass selbst der beschlagene Zeitgenosse nicht ausmachen konnte, wo die Wissenschaft aufhört und die Fiktion beginnt. Verne, der Erfinder der Science-Fiction, lässt seine Hauptfiguren alle Einwände und konkurrierenden Theorien durchdiskutieren. Seine damaligen Leser dürften sich dabei ähnlich gefühlt haben wie wir uns in der heutigen Mediengesellschaft: Je mehr Expertenmeinungen man zu einem bestimmten Thema hört, desto weniger weiß man, was man glauben soll. Verne gelingt mit seinem geologischen Roman eine faszinierende Verschmelzung von wissenschaftlichem Anspruch und Imagination: Axel und sein Onkel reisen durch Gesteinsschichten in der Erdgeschichte zurück und erblicken in unterirdischen Parallellandschaften ungeahnte Schönheiten und Schrecklichkeiten. Dass sie zugleich die Tiefen des eigenen Ichs erkunden, macht den Roman umso lesenswerter.