Johannes V. Jensen (1873–1950) schuf in seinen "Himmerlandsgeschichten" Figuren, die er den Menschen aus seiner Kindheit nachempfand und in der Literatur unsterblich werden ließ. Jensen erfasste menschliche Regungen und Eigentümlichkeiten mit so wenigen konzentrierten Worten, dass das individuelle Schicksal und die existenzielle Tiefe der Charaktere gleißend zum Vorschein treten. Wir lernen Donnerkalb kennen, einen verwachsenen Einzelgänger, der eigensinnig und unverdrossen den Geschäften seines Lebens nachgeht. Auch das junge Genie Jens, Protagonist einer anderen Geschichte, der erfüllt ist von hochstrebenden Plänen, die er bis zum frühzeitigen Sterbebett nicht aufgeben wird, rückt uns berührend nahe. Außerdem erfahren wir von der Ankunft des Wanderzirkus Wombwell, durch den die weite Welt ins Himmerland einzieht und der die Bewohner in hellen Aufruhr und Erregung versetzt. Jede Geschichte enthält ganze Existenzen und ist doch nur ein Mosaikstein im Kosmos des Jensen'schen Himmerlands.
Ulrich Sonnenberg hat die Geschichten aus der spärlich besiedelten, kargen Gegend Himmerland in eine Sprache übertragen, die prägnant verknappt und gleichzeitig elegant daherkommt, immer mit einer Prise lakonischen Spotts, aber voller Zuneigung. Seine Übersetzung lässt Jensens Erzählungen scheinbar mühelos in der Gegenwart zur Entfaltung kommen. Vielleicht lesen sich diese Geschichten aus einer untergegangenen Welt so gut, weil sie uns ewig menschliche Regungen und Lebensbilder nahebringen und, der historischen Zeitgenossenschaft enthoben, ihren Kern umso strahlender offenbaren.