Die ›Lillelord‹-Trilogie von Johan Borgen gehört zu den bedeutendsten Romanwerken der norwegischen Literatur. Der erste Teil erzählt die Geschichte eines Jungen, Wilfred Sagen, aus der geschützten Welt des Bürgertums in Kristiania, unmittelbar vor dem Ersten Weltkrieg.
»Lillelord«, wie Wilfred Sagen von seiner Mutter zärtlich genannt wird – viel länger, als dieser verniedlichende Kosename angebracht wäre –, wächst ohne seinen Vater auf. Er ist ein hochbegabter, sensibler Junge, der sich seiner Wirkung auf Menschen sehr früh bewußt ist und mit einer geradezu dämonischen Raffiniertheit seinen psychologischen Instinkt einsetzt. Das komplizierte Verhältnis zwischen Mutter und Sohn ist eines der Hauptthemen des ersten Teils: Während Lillelord ihr gegenüber den guten Jungen spielt, errichtet er zu diesem Bild der Wohlgeratenheit insgeheim und sehr bewußt ein Gegenbild. Er ist ein Einzelgänger, eine Spielernatur, sein Element ist die Verstellung, und er hat eine gefährliche Affinität zum Abgründigen.
(Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)