Wie könnte eine Geschichte aussehen, die von einem Lichtstrahl erzählt wird? Erstens wäre das keine gewöhnliche Erzählung, sondern ein ungewöhnliches Schicksal; zweitens wäre sein Held ein Fotograf, ein Wärter des Lichts; und drittens wäre dies, wie sich versteht, ein Schicksal voller Schatten. Wer war Drtikol (1883–1961)? Ein Dandy aus einem Bergmannsstädtchen, ein weltbekannter Fotograf, der mit sei nem Gewerbe bankrott ging, ein Meister von Aktbildern, der bei den Frauen kein Glück hatte, ein Mystiker und Buddhist, der an den Kommunismus glaubte. Er war ein Mann vieler Widersprüche und ein Mann ihrer inneren Synthese. Jan Němec legt ein umfassendes, schöpferisches Romanfresko vor, das aus der zeitgenössischen tschechischen Literatur herausragt. Sein künstlerischer Bildungsroman beginnt im böhmischen Příbram, wo die Hauptfigur in eine einfache Familie geboren wird und das Bergmannsmilieu hautnah kennenlernt. Zwischen den tiefen Stollen der Silberminen im nahen Birkenberg und dem hoch oben gelegenen Wallfahrtsort des Klosters Heiliger Berg zeichnen sich Licht und Dunkelheit seiner späteren Profession ab. Der Roman folgt dem aufgeweckten, aber zunächst unscheinbaren Jungen, der eher zufällig zur Fotografie kommt und als Student München in der künstlerischen Aufbruchstimmung der Sezessionszeit erlebt, das bunte Treiben der Schwabinger Boheme und der Vergnügungssüchtigen am Beginn des 20. Jahrhunderts. Zurück in Böhmen macht er sich nach längerer Durststrecke allmählich als Fotograf einen Namen, und bald gehen in seinem Prager Atelier nicht nur Politiker und Literaten ein und aus, sondern auch jene Frauen, die Drtikols Aktmodelle werden.