Werthers Grab ist eine Erzählung von Isolde Kurz.
Auszug:
Die Eisenbahn durchschneidet das Dorf am oberen Ende, wo sich die große Klary'sche Ziegelfabrik mit ihren ausgedehnten Schuppen und dem rauchenden Ringofen befindet. Doch der Schnellzug kümmert sich nicht um die mit Backsteinen hochaufgethürmten Lowren, die auf dem Seitengeleise angeschoben sind, und läßt mir kaum die Zeit, einen Blick auf das nüchterne Stationsgebäude mit seinen Signalapparaten zu werfen. Dann lehne ich mich zurück, und im Weiterfahren erscheint vor meinen inneren Augen ein völlig anderes Bild. - Wo der Bahnhof steht, da sehe ich im Geist eine langgestreckte Parkmauer mit hochwipfligen Baumreihen, zwischen denen tief unten in der Nähe des Flusses die Rückseite eines großen Wohnhauses mit hohen Schornsteinen und steinerner Terrasse eben noch zu erkennen ist. Weiterhin tauchen hinter der Mauer grüne Lauben, weiße Götterfiguren und lange Taxusgänge auf, die nach einem kleinen, von Maulbeerbäumen beschatteten Häuschen im Schweizer Stil mit grünen Läden, hölzernen Altanen und ebensolcher Außentreppe führen. Ringsum ist Alles grün; an Stelle der rauchenden Schlote, der Ziegelschuppen und der nassen Lehmgruben sehe ich nur Obstgärten und Felder mit wehenden Halmen bis hinauf zu den waldgekrönten Höhen des Lerchenbergs und abwärts bis zur Lindach, in deren krystallklarem Wasser sich die Erlen und Weiden des Ufers spiegeln.