Julie d’Aiglemont, eine intelligente und schöne Frau, begeht zu Beginn des Romans den Fehler, einen mittelmäßigen und grobschlächtigen Offizier zu heiraten und findet – nach schrecklicher Ernüchterung in Schwermut dahinsiechend – einen Seelenfreund in dem sie seit langem liebenden englischen Arzt Lord Grenville. Dieser ist – ein Zugeständnis an die Anglomanie der Zeit – so edel, dass er stirbt, »um ihr das zu erhalten, was die Gesellschaft die Ehre einer Frau nennt«, verurteilt sie dadurch aber zu den »ungekannten Leiden«, von denen das zweite Kapitel berichtet. Diese Leiden werden (im dritten Kapitel, das von Stendhals Essay De l’amour beeinflusst ist), beendet durch das Glück einer erwiderten Liebe der inzwischen Dreißigjährigen zu dem jungen Diplomaten Charles de Vandenesse, die Julies Gatte stillschweigend duldet. Kapitel vier lässt dem Ehebruch das Gottesurteil folgen: Die legitime Tochter Julies, Hélène, stößt den ihr vorgezogenen kleineren Bruder, ein dem Verhältnis mit Vandenesse entstammendes Kind, ins Wasser. In dem an bunten und rätselhaften Fügungen überreichen fünften Kapitel muß Julie miterleben, dass Hélène unter der seelischen Belastung dieses Brudermords mit einem Mann entflieht, der selbst einen Mord begangen hat. (Ihr Vater wird sie später als dessen Geliebte und als Mutter mehrerer Kinder unter dramatischen Umständen auf einem Korsarenschiff wiederfinden.) Das letzte Kapitel zeigt die alternde Julie im Konflikt mit ihrer jüngsten Vandenesse-Tochter Moïna, die in Unkenntnis der Zusammenhänge nicht von ihrer Liebe zu einem legitimen Sohn Vandenesses – also zu ihrem Halbbruder – lassen will und dadurch ihrer Mutter, die ihre Verfehlungen tief bereut, den Todesstoß versetzt.
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