Eine beeindruckende literarische Wiederentdeckung von zeitgeschichtlichem Rang
Vom Alltag während des Krieges inmitten der Diktatur handelt der 2. Band von Hermann Stresaus Tagebuchaufzeichnungen »Von den Nazis trennt mich eine Welt«, die 1939 mit dem Überfall auf Polen beginnen und im April 1945 mit dem Einmarsch der amerikanischen Truppen in Göttingen enden.
Mit Kriegsbeginn verlegt Stresau seinen Wohnort nach Göttingen. Dort versucht er, abgeschnitten von den Nachrichten der Welt, aus den anhaltenden Jubelmeldungen der Nazis zu extrahieren, wie es wirklich steht. Dass in der deutschen Bevölkerung mit der Niederlage in Stalingrad und der zunehmenden Bombadierung ihrer Großstädte die anfängliche Siegesgewissheit in Mutlosigkeit umschlägt, kann aber auch die Propaganda nicht verdecken. Die Deportation der Juden ist für Stresau früh Gewissheit und hinter vorgehaltener Hand werden unter Gleichgesinnten zudem andere Kriegsverbrechen kolportiert. Es gibt Tage, an denen er gleichermaßen verzweifelt an deutscher Schuld und der Angst um das Leben der ihm nahestehenden Menschen. So verbindet sich der analytische Blick des Intellektuellen Stresau mit einer den Verhältnissen trotzenden, unerschütterlichen Menschlichkeit. Die tritt besonders zu Tage, als er verpflichtet wird, in einer Fabrik zu arbeiten, die auch Zwangsarbeiter aus Osteuropa und Frankreich beschäftigt.