Die Angst vor den Bomben, eine Kindheit im Krieg – damit beginnen Helmut Lethens Erinnerungen, die mehr als sieben Jahrzehnte bundesdeutscher Geschichte umspannen: Der Schock, als er mit achtzehn in Resnais' Film «Nacht und Nebel» zum ersten Mal mit dem Holocaust konfrontiert ist. Das Gefühl der Befreiung, als er von Bonn in das viel liberalere Amsterdam zieht. Schließlich das von Aufruhr und Protest aufgewühlte Berlin: Hier demonstriert Lethen 1967 gegen den Besuch des Schahs, und bald agitiert er als Sprecher der Kampagne für ein Kinderkrankenhaus in Kreuzberg an vorderster Front. Die maoistische K-Gruppe schließt Lethen wegen «Versöhnlertums» aus, dennoch trifft ihn der «Radikalenerlass», das Berufsverbot in Deutschland – das sich als unfreiwilliger Glücksfall erweist: In den Niederlanden schreibt Lethen die «Verhaltenslehren der Kälte», in denen er das Verhältnis von Geist und Politik im 20. Jahrhundert auf ganz neue und bis heute aktuelle Weise ausgeleuchtet hat.
Helmut Lethen berichtet in seiner Autobiographie, was ihn geprägt hat: von politischen und denkerischen Experimenten, von Weggefährten und Ideengebern wie Adorno und Enzensberger. Ein Entwicklungsroman der Bundesrepublik – wie ihn nur noch wenige Intellektuelle zu erzählen vermögen.