Mit Vater wurde es immer schlimmer.
Wenn Mutter ihn bat: "Mann, gib mir doch mal die Kartoffeln herüber", so sagte Vater eifrig: "Aber gewiß doch!" starrte über den Tisch und reichte Pfeffer und Salz.
Und wenn ich von Vater fünfhundert Mark für ein paar Schulhefte verlangte (denn wir standen erst im Anfang der Inflation, und Sachen kosteten nur lumpige Hunderter, die in Kürze Millionen und Milliarden kosten sollten), so sah er mich zornig an und sagte: "Ich lasse mir das nicht von euch gefallen! Es ist glatter Diebstahl!"
Kurz, Vater lebte nicht mehr mit uns, seiner angestammten Familie, sondern in einer fremden Welt, von der er uns durchaus nichts erzählen wollte.
"Sieh du doch mal, daß du ihn zum Sprechen bringst, Maxe", bat Mutter mich oft. "Wenn der Mann sich doch nur mal aussprechen würde! Die Sorgen drücken ihm noch das Herz ab! Sicher ist es was mit der Fabrik!"
Aber auch mir gegenüber hielt Vater dicht wie ein neuer Gummimantel, und setzte ich ihm einmal gar zu sehr zu, so sagte er bloß: "Ich weiß nicht, was du willst, Maxe! Ein verlorener Krieg und 'ne verlorene Revolution und 'ne Inflation und Bruderkampf – ist dir das noch nicht genug, daß ein Mann Sorgen hat?! Du bist ja komisch, Maxe!"
Eigentlich hatte der Vater damit recht, Grund zum Kummer hatte jeder in Deutschland und ganz besonders in Berlin, wo wir jeden Dreck frisch vom Faß bekamen, genug, und doch waren Mutter und ich fest überzeugt, daß Vater außer dem großen allgemeinen Kummer noch seinen Privatkummer hatte – über den er doch durchaus nicht sprechen wollte. Eines Morgens aber paßte es so, daß wir in der Penne schulfrei hatten. Ich weiß nicht mehr genau, warum, wahrscheinlich streikte der Schuldiener mal wieder – von wegen Gehaltsaufbesserung und so. Das machte der ehrliche Alte öfter in jenen Tagen, dann heizte er einfach nicht oder ›verlegte‹ den Schlüssel zum Schultor oder brachte den Klingelkontakt in Unordnung, daß die Pausenklingel eine Stunde hintereinander schrillte – na, von …