Wer heute „Märchen“ sagt, muß nicht nur die Brüder Grimm kennen – er muß vor allem Basile gelesen haben. Giambattista Basiles Märchen der Märchen, 1634 bis 1936 und damit posthum erschienen, ist als Pentamerone (Fünf-Tage-Werk) weltberühmt geworden. Der globale Ruhm erreichte Basile allerdings erst lange nach seinem Ableben.
Nicht nur der französische Märchendichter Charles Perrault hat das Pentamerone gekannt. Wieland entnahm ihm den Stoff zu seinem Pervonte, Brentano ließ sich von Basiles Texten zu seinen Italienischen Märchen inspirieren, die Brüder Grimm lieferten eine erste vollständige Inhaltsangabe. Hunderte von Erzählerinnen und Erzählern trugen Basiles Märchentypen bis in unser Jahrhundert hinein in immer neuen Varianten mündlich vor. Kluge Prinzessinnen, Tierkönige, Drachentöter, ungeschickte Tölpel, wackere Abenteurer, grimmige Oger, hilfreiche Feen, Prinzen und Könige – die altvertrauten Figuren der europäischen Märchenliteratur bevölkern dieses barocke Erzählwerk, das unter dem Deckmantel des Dialekts die zugleich phantastische wie reale mediterrane Lebenswirklichkeit des 17.Jahrhunderts erfaßt und eines der schönsten und tiefgründigsten Märchenbücher, mit Sicherheit aber die originellste Sammlung von Phantasiegeschichten darstellt.