Ein Vorurteil besagt, Gestalttherapie sei ungeeignet für schweres psychisches Leiden. Dieser Band versammelt vier Beiträge, die dagegen aufzeigen, wie Gestalttherapeuten im Rahmen der psychiatrischen Versorgung einen großen Beitrag zu einer Verbesserung der psychischen Gesundheit ihrer Patienten zu leisten vermögen.
In seinem Beitrag »Ungesichert in den Seilen hängend halten wir uns an Fixierungen: Zwangsstörungen gestalt-phänomenologisch untersuchen« skizziert Gianni Francesetti einen Rahmen der Theorie, in welchem Zwangsstörungen verstanden werden können, und macht damit möglich, sie aus der Perspektive der Leidenden heraus zu verstehen und nicht nur von außen zu diagnostizieren. So vermögen Therapeuten zu Verbündeten der Leidenden zu werden, ohne ihre Perspektive übernehmen zu müssen.
An dieser Stelle helfen die ebenso einfachen wie wirksamen Übungen, die Alessio Zambon in seinem Beitrag »Gestalttherapie in der Psychiatrie: Empathie bei schwerem psychischen Leid entwickeln, zwischen Regression und Erdung« vorschlägt, um die Empathie, Vorbedingung für alles Verstehen, mit psychisch schwer Kranken zu entwickeln. Diese Übungen sind erste Vorschläge, und Alessio Zambon hofft, dass sie den Anstoß geben, weitere und neue Übungen hervorzubringen. Zudem gewährt er in einem Beitrag über das Projekt An-Arché im Rahmen der Reform der italienischen Psychiatrie und anti-psychiatrischen Bewegung aus eigener Erfahrung Einblick in die Herausforderungen, die aus einem respektvolleren Umgang mit psychisch schwer kranken Menschen resultieren.
Der Beitrag »Kontakt - Der Weg zur Heilung: Gestalttherapeutische Langzeit-Begleitung« der Herausgeberin des Bandes Gabriele Blankertz betrifft die Frage, wie Kontakt mit Menschen herzustellen ist, deren Handeln jenseits dessen liegen, was wir in unserem normalen Alltag nachvollziehen können. Aller psychotherapeutischen Wirksamkeit hinterliegt Kontakt, ob das in der jeweilig angewendeten Methode nun reflektiert wird oder nicht. Der immense Vorteil, den ich in der Gestalttherapie sehe, ist, dass sie genau das leistet, nämlich in der Ausbildung und in der täglichen Praxis die Qualität des Kontakt auch zu reflektieren.