Im Werk "Das Leben Jesu" versucht Renan, das Leben, die Gestalt und den Weg Jesu aus den antiken Verhältnissen seiner Zeit heraus zu erklären und die Gestalt Jesu als die eines Menschen darzustellen, der nach seinem Tod von seiner Gemeinde zum "Gott" ausgerufen wurde. Am Paradigma eines Evolutionismus orientiert, sieht Renan die Religionsgeschichte als Fortschritt zu immer größerer moralischer Perfektion.
Ernest Renan (1823-1892) war ein französischer Schriftsteller, Historiker, Archäologe, Religionswissenschaftler und Orientalist und Mitglied der Académie française. 1855 gab Renan eine historisch-systematische Konkordanz der semitischen Sprachen heraus. Verschiedene Reisen vor allem in den Nahen Osten führten zur Entstehung seines Hauptwerkes Das Leben Jesu, dessen erster Band 1863 erschien.
Aus dem Buch:
"Eine ernste Schwierigkeit stellte sich entgegen: Das war seine Geburt in Nazareth, die allgemein bekannt war. Wir wissen nicht, ob Jesus gegen diesen Einwand kämpfte. Vielleicht wurde dieser weniger in Galiläa laut, wo die Annahme, daß der Sohn Davids in Bethlehem geboren sein müßte, weniger verbreitet war. Für den galiläischen Idealisten war übrigens der Titel "Sohn Davids" genügend begründet, wenn der, dem er beigelegt wurde, den Ruhm seines Volkes wieder hob und die schönen Tage Israels wieder zurückbrachte. Beglaubigte er durch sein Schweigen die fiktive Genealogie, die seine Parteigänger erdachten, um seine königliche Abstammung zu beweisen?"