Am Anfang der neuzeitlichen Psychiatrie in Deutschland stand die Idee der Aufklärung, dass der Mensch mit Vernunft begabt und zur Freiheit geboren sei. Mithin konnten auch Wahn- und Irrsinnige nicht länger von Dämonen und teuflischen Geistern besessen sein. Sie waren erbarmungswürdige Wesen – Kranke, denen mit Humanität und ärztlicher Kunst geholfen werden müsse. Zwei miteinander verflochtene Entwicklungslinien treten dabei hervor: Die eine führt von der Erfahrungsseelenkunde Berliner Kantschüler über die psychische Heilkunde der romantischen Medizin zur naturwissenschaftlich fundierten Psychiatrie, inspiriert vom Fortschrittsglauben des bürgerlichen Zeitalters. Die andere führt von den Narrenkästen der mittelalterlichen Städte über die Zucht- und Tollhäuser des aufgeklärten Absolutismus zu den Heil- und Pflegeanstalten des 19.Jahrhunderts.