Maurice Halbwachs (1877–1945) gehört – neben Marcel Mauss – zu den wichtigsten Vertretern der französischen Soziologie in der Nachfolge von Émile Durkheim. Halbwachs gilt als der Klassiker der Gedächtnissoziologie.
Dietmar J. Wetzel gibt einen systematischen Überblick über die zentralen Werke und Begriffe von Halbwachs und die ihn dabei prägenden Einflüsse. Er zeigt, dass Halbwachs neben seinen breit rezipierten Gedächtnisstudien ein weitgehend unbeachtet gebliebenes Werk hinterlassen hat, das zur Wiederentdeckung einlädt.
In seinen Arbeiten zur Soziologie und Sozialpsychologie des Gedächtnisses – am bekanntesten sind »Das Gedächtnis und seine sozialen Bedingungen« und »Das kollektive Gedächtnis« – gelingt es Halbwachs als erstem empirischen Soziologen der französischen Schule zu zeigen, dass es sich bei Erinnerungen an die Vergangenheit wesentlich um Rekonstruktionen im Lichte der Gegenwart handelt.
Neu zu entdeckende Arbeiten sowie Übersetzungen ins Deutsche zeigen jedoch vermehrt, dass das Potenzial einer von Halbwachs intendierten »Wissenschaft vom Menschen« weit über seine kulturwissenschaftliche Rezeption als Gedächtnisforscher hinausreicht. Halbwachs hat sich mit ganz verschiedenen Themen auseinandergesetzt, die ihn als »kompletten Soziologen« ausweisen: Arbeits- und Wirtschaftssoziologie, Soziologie der sozialen Klassen, Stadtsoziologie, Soziologie des Selbstmordes, soziale Morphologie und Statistik.