Die Toten sind nicht tot, am allerwenigstens in der Literatur, und sie selbst hat etwas Geisterhaftes, Nächtliches, aber in einem liebevollen Sinne:
Zärtlich beobachtet sie das Leben, wenn auch aus der Ferne. Und da ist es nur zwingend, wenn in Dagmar Leupolds neuem Roman ein Toter spricht, Heinrich v. Kleist, der über die Jahrhunderte hinweg einer Frau luftige Briefe der Zuneigung schickt oder geisterhafte Aufzeichnungen macht. Die Adressatin dieses geistvollen Gespensts, das durch Zeiten und Räume weht und seine Beobachtungen in unserer Gegenwart macht, ist Ulrike, nicht Kleists geliebte Schwester, auch wenn sie Ähnlichkeiten mit ihr hat, sondern eine Schwester im Geiste, in der Haltung, in der Tragik, Ulrike Meinhof. «Auf die Idee muss man erst einmal kommen! Während die anderen arbeiten und schlafen, ergeben sich Verbindungen, die ihnen Albträume bescherten, wüssten sie davon.»
Mit ihrem neuen Roman geht Dagmar Leupold aufs Ganze. Auf der Höhe ihrer Sprachkunst überschreitet sie mühelos die Grenzen unserer Vorstellung.