Kornelkirschen, Magnolien, Feuerdorn - als Gartenarchitektin kennt Julie die Vorlieben der Pflanzen. Dicht an Dicht blühen manche in ihrer ganzen Farbpracht, andere brauchen Abstand, um sich entfalten zu können. Eine lebensnotwendige Distanz, die auch Julies Verhältnis zu ihrer Mutter kennzeichnet. Alle Versuche, gegen die unsichtbare Wand aus Unverständnis und Zurückweisung anzurennen, hat sie längst aufgegeben. Der plötzliche Tod der Mutter macht jede Hoffnung auf eine späte Aussöhnung zunichte. Wie betäubt folgt Julie der Verlesung des Testaments. Sie erbt ein Cottage in der Normandie, doch ist sie nicht Alleinerbin. Zum ersten Mal hört sie von Florence, ihrer Halbschwester. Warum wurde sie ihr verheimlicht? Was wusste ihr Vater, der sich in eine dunkle Wolke aus Vergessen hüllt? Julies Versuche, Florence in Frankreich aufzuspüren, schlagen fehl. Und so entschließt sie sich zu einer Reise durch Nordfrankreich, von Le Havre über Dieppe bis nach Étretat. Doch jemand versucht, ein Zusammentreffen der Schwestern gezielt zu verhindern. Sogar Julies Ex-Freund, der als Galerist nach unentdeckten impressionistischen Gemälden aus dem 19. Jh forscht, scheint Teil der Wahrheit zu sein. Je länger ihre Suche andauert, desto dichter wird das Geäst des Familienstammbaums und ungeheuerlicher seine Verzweigungen.
Vor der atemberaubenden Kulisse der nordfranzösischen Küstenlandlandschaft erzählt Christa Hein in »Der Glasgarten« von der zerstörerischen Kraft lang gehüteter Geheimnisse und einer Suche nach der Wahrheit, deren glasscharfe Kanten der Protagonistin schließlich nichts mehr anhaben können; glatt geschliffen, nicht durch die Zeit, sondern von der tröstlichen Magie wiederentdeckter Wünsche.
4 Kommentare zu „Der Glasgarten“
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