Romanik, das sind für uns zerfallende Burgen, Klosterruinen mit idyllischen Kreuzgängen, massige Dome und wuchtige Wehrkirchen. Das sind merkwürdig starre Plastiken, kaum Bilder, kostbare handgeschriebene Bücher in den Museen. Romanik, das ist tausend Jahre her. Auch damals lebten Menschen, arbeiteten, liebten und hassten und veränderten die Welt. Wir erfahren von Landleuten und Bergknappen, Köhlern, Erzgießern, von Salzsiedern und Zeidlern, von Fürsten und Kaisern, und eine versunkene Zeit wird lebendig.
LESEPROBE:
Vinz bekam plötzlich Sehnsucht nach der Bauernarbeit, als er das Gerät sah. Er hatte das Land gesehen, es war fruchtbares Schwemmland, das man allerdings wegen der häufigen Überschwemmungen in den Niederungen fast ausschließlich als Rinderweide oder Grasland nutzte. Die Unstrut floss hier träge, in vielfachen Windungen, ihre Ufer waren mit Erlen und Weiden und allerlei Gesträuch gesäumt. Graureiher fischten dort ebenso wie der Otter, Biber errichteten Knüppeldämme quer durch und stauten das Wasser, dass es schwoll (in dem Namen steckt die Wurzel strut, was soviel wie schwellen, strotzen, strudeln bedeutet), in den krautigen Uferzonen voll Gilb- und Blutweiderich, Zaunrübe und Igelkolben, Wassernuss und Froschlöffel lebten Frösche und Schlangen, nisteten Bart- und Beutelmeisen, Blaukehlchen, Eisvögel. Wiedehopf und Steinkauz brüteten in den Höhlungen der Bäume, und auf den kahlen Kalkfelsen des Wendelsteins hatte eine Kolonie des Waldrapps ihre liederlichen Nester. Um diese Zeit allerdings waren die merkwürdigen storchenähnlichen Vögel mit dem metallisch schillernden schwarzen Gefieder und dem säbelförmigen Schnabel, dem glatten roten Kopf schon längst in ferne Länder gezogen.
Obwohl es eine unvorstellbar reiche Vielfalt der Tier- und Pflanzenarten gab, der Fluss von Fischen, Krebsen und Wasserinsekten wimmelte, von den Höhenzügen düstere Wälder herüberrauschten, trug doch die Gegend unverkennbar das Gepräge von Menschenhand. Die Wiesen im Überschwemmungsbereich waren sorgfältig gepflegt; wurden sie beweidet, so war es die Aufgabe der Frauen und Kinder, von den Kühen stehengelassene Horste von Disteln und Nesseln zu reuten und zu ebnen, dass sich keine Blüten bildeten, desgleichen mussten Maulwurfshaufen gebreitet und die zerstampften Bereiche der Tränken geharkt und aufgeschüttet werden. Wurden sie gemäht, benutzten die Bauern eine zweigriffige Sense mit langem, über die Schulter reichendem Baum.