London, im Jahr 1887: zum ersten Mal schickt Arthur Conan Doyle (1859 – 1930) den Meisterdetektiv Sherlock Holmes & seinen Begleiter Dr. John Watson auf Verbrecherjagd. Die „Studie in Scharlachrot“ („A Study in Scarlet“) führt den Leser nicht nur in die düsteren Vororte Londons, sondern auch in die Salzwüste von Utah zur Zeit des großen Mormonentrecks. Im Jahr 1890 folgt mit dem „Zeichen der Vier“ (‚The Sign of the Four‘) der zweite Sherlock-Holmes-Roman. Darin lässt Conan Doyle den Privatermittler aus der Bakerstreet 221b mit seiner deduktiven Methode ein „Closed Room“-Rätsel à la Edgar Allan Poe lösen — die Motive für den mysteriösen Mordfall reichen zurück zu einer Verschwörung während des Indischen Kolonialaufstandes. Die in diesem Band versammelten ersten beiden Holmes-Stories fallen in einen für die beginnende Selbstwahrnehmung des Empires kritischen Zeitraum. Konnte der britische Historiker J.R. Seeley in seinen Vorlesungen über die „Expansion of England“ noch 1883 behaupten, das koloniale Weltreich sei in einem Zustand der Geistesabwesenheit entstanden („in a fit o absence of mind“), so begann sich das nun schlagartig zu ändern – u.a., weil die Beherrschten selbst immer öfter aufbegehrten. Auch Conan Doyles erste beiden Sherlock-Holmes-Romane thematisieren das wechselseitige Verhältnis von Zentrum (London) und Peripherie, und damit ein durchaus gegenwärtiges Bedrohungsszenario: die Gefahren dringen von den Rändern aus mitten in das Herz der globalisierten Welt. Dieser mit einem literaturhistorischen Nachwort versehene Doppelband basiert auf der klassischen Übersetzung von Margarete Jacobi, wurde aber en detail überarbeitet. Denn gerade die “Studie in Scharlach” hat’s in sich: der deutsche Titel hieß ursprünglich “Späte Rache”, zahlreiche Passagen des Originals wurden früher herausgekürzt. Darunter ausgerechnet das titelgebende Holmes-Zitat über die “Studie in Scharlachrot”, sowie das dazu gehörende Motto: “Es läuft ein scharlachroter Faden des Mordes durch die farblose Haut des Lebens, und unsere Pflicht besteht darin, diesen zu entwirren, zu isolieren und jedes Stück freizulegen.” Nun auch wieder im Text enthalten: Sherlock Holmes’ Kritik am großen Vorbild Auguste Dupin, dem von Edgar Allan Poe erfundenen Proto-Detektiv.