Der Westen protzt. Der Westen stellt sich in Frage. Einerseits EU-Schulterschluss im Angesicht des Ukrainekrieges. Selbstzweifel, Selbstkritik und Selbstdementierung auf der anderen Seite. Zur europäisch-nordamerikanisch-westlichen Praxis gehört eben nicht nur die Erfindung der Demokratie und der Menschenrechte, nicht nur die Idee der Gleichheit der Menschen und die Idee pluralistischer Ordnungen, der Gewaltenteilung und des vernünftigen Interessenausgleichs, sondern auch seine radikale Dementierung. Kolonialismus, Faschismus und Nationalsozialismus, Imperialismus und Rassismus sind ohne Zweifel keine nicht-westlichen, keine nicht-modernen Erscheinungen. Sie gehören konstitutiv zur westlichen Moderne dazu. Das Kursbuch 211 stellt sich dieser Ambivalenz auf vielfältigste Weise. Armin Nassehi rekonstruiert in seinem Beitrag die postkoloniale Kritik des Westens als eine Kritik, die nicht unbeeindruckt ist von den normativen Formen dessen, was der Gegenstand der Kritik ist. Das führt zu der Frage, dass der »Westen« womöglich nicht mehr im Westen liegt, sondern womöglich im Senegal – und selbstverständlich bräuchte es dafür einen anderen Begriff.