Wie schon in ihrem Welterfolg «Die Scham ist vorbei» erzählt Anja Meulenbelt hier temperamentvoll und gescheit ein Kapitel ihrer ganz persönlichen und doch nicht nur privaten Geschichte: eine Vierzigjährige – Symbolfigur der Frauenbewegung – trennt sich von ihrer langjährigen Lebensgefährtin; sie begegnet dem zehn Jahre älteren Daniel, der sich ebenfalls aus einer intensiven Beziehung erst lösen muß. Aber müssen die alten Bindungen überhaupt gelöst werden, damit neue entstehen können? Die Erzählerin und ihr Geliebter – beide schmerzerfahren, beide willens, anderen möglichst nicht weh zu tun, und doch ihrer Zusammengehörigkeit gewiß – bemühen sich um einen sanften Weg zueinander; sie teilen die verfügbaren Stunden, die Nächte, Wochenenden und Urlaubswochen zwischen ihren alten und den neuen Partnern auf. Doch was zunächst als ein weiser, aufgeklärter Versuch erscheint, will nicht gelingen. Vielmehr zeichnet sich nach einiger Zeit eine Form der Bindung ab, die verblüffend an die längst überwunden geglaubte, einst gehaßte Kleinfamilie erinnert.