Vsevolod Michajlovič Garšin (1855-1888) zählt zu den vielleicht am meisten unterschätzten russischen Schriftstellern, was auch mit damit zu tun hat, dass seine Schaffenszeit in jene Zwischenperiode am Übergang vom Realismus zur Moderne fällt, die oft als Phase künstlerischen Rückschritts charakterisiert wurde. Dabei ist jedoch unbestritten, dass Garšin mit seiner psychologischen Kurzprosa, in der er neue narrative Verfahren erprobte, zu den wichtigsten Mitbegründern einer modernen russischen Erzählkunst gezählt werden muss. Dieser künstlerisch-literarische Aspekt ist es auch, der in der bisherigen Forschungsliteratur zu Garšin vornehmlich untersucht wurde, wohingegen andere Perspektiven bislang eher unterbelichtet blieben.
Alexander Lell stößt mit seiner innovativen Studie in eben diese Lücke, indem er sich Garšin von einer neuen Seite nähert, die vor allem die geistig-moralische Dimension seines Schaffens berührt. Lell erkennt in den Werken Garšins deutliche Anklänge an die Philosophie Arthur Schopenhauers, was er schwerpunktmäßig an der – auch bei Schopenhauer zentralen – Kategorie des Unrechts demonstriert.