Liebe Sabrina, wie bist Du Literaturagentin geworden? War es schon immer Dein Traumjob, oder hast Du zunächst eine andere Karriere verfolgt, bevor Du in die Literaturbranche eingestiegen bist?
Mein Lebenslauf war keineswegs gradlinig und ich habe nicht den „klassischen“ Weg eingeschlagen. Viele Literaturagent:innen kommen entweder aus dem Lektorat eines großen Verlagshauses oder waren im Vorfeld bei einer anderen Literaturagentur angestellt.
Ich bin studierte Literatur- und Theaterwissenschaftlerin. Zunächst war ich Dramaturgin und Regieassistentin an deutschen Theatern, dann Lektorin von Drehbüchern für Kino- und Spielfilme, und später war ich in der Lizenzabteilung der Ullstein Buchverlage tätig. Zu meiner Tätigkeit als Literaturagentin bin ich eher durch einen Zufall gekommen.
Vor einigen Jahren wollte eine Drehbuchagentin mit mir zusammenarbeiten. Sie hatte einige Stoffe, die sich nicht verfilmen ließen, aber als Buch geeignet waren. Das war quasi die Geburtsstunde. Ich landete auf einigen Listen für seriöse Literaturagenturen und Anfang 2022 schloss ich einen Vermittlungsvertrag mit meiner ersten Influencerin, Sarah Plack. Ihr Buch über ihre Kinderwunschbehandlung kam im August 2023 bei Kösel heraus. Seitdem arbeite ich oft und gern mit Content Creatoren zusammen, vertrete aber auch Coaches, Schriftsteller und andere Schreibende.
Welche Art von Büchern magst Du persönlich am liebsten und beeinflusst das Deine Entscheidungen als Literaturagentin? Gibt es bestimmte Genres oder Themen, die Dich besonders interessieren?
Ich bin tatsächlich sehr vielseitig interessiert, was sich an meinem Lebenslauf und in der breiten Palette an Autor:innen und Buchprojekten widerspiegelt. Von Influencern und Ärzten über Blogger, Vlogger oder einer Hexe bis hin zu klassischen Schriftstellern – ich habe das große Glück, mit sehr verschiedenen Menschen zusammenzuarbeiten.
Persönlich mag ich eine große Bandbreite von Büchern, ob nun gehypte Fantasytitel oder Frauenunterhaltung mit gesellschaftsrelevanten Themen, Biografien, Romane oder Ratgeber.
Meine persönlichen Vorlieben beeinflussen natürlich meine Arbeit als Literaturagentin. Wenn ich ein Manuskript lese, das in eines meiner bevorzugten Genres fällt, bin ich sicher besonders empfänglich für dessen Qualitäten. Gleichzeitig bemühe ich mich jedoch, offen und objektiv zu bleiben, um auch in anderen Genres talentierte Autor:innen zu entdecken.
Meine Vielseitigkeit ist ein großer Vorteil in meinem Beruf. Sie ermöglicht es mir, mit einer Vielzahl von kreativen Menschen zusammenzuarbeiten und ihre einzigartigen Geschichten zu unterstützen und zu fördern. So bleibt meine Arbeit immer spannend und abwechslungsreich.
Die schnelle und die langsame Liebe von Dr. phil. Wolfgang Schmidbauer
Vorwärts heißt zurück zu mir von Tanja Köhler
Rette dein Geld von André Schulz
In Deinem Job begleitest Du (angehende) Autor:innen bei der Entwicklung von der Idee bis zur Veröffentlichung bei einem Verlag. Kannst Du uns verraten, wie und wo Du spannende Geschichten findest, die das Zeug zum Bestseller haben?
Wenn ich auf der Suche nach neuen Autor:innen bin, stöbere ich verstärkt auf Instagram, TikTok und anderen sozialen Netzwerken. Dabei konnte ich schon einige spannende Buchprojekte finden.
In der Verlagsbranche ist außerdem Networking unerlässlich. Empfehlungen von Kollegen, anderen Autor:innen oder Redakteur:innen sind für mich genauso wertvolle Quellen für vielversprechende Manuskripte. Viele Schreibende wenden sich direkt an mich, unter anderem über meine Agentursprechstunde, die ich seit kurzem anbiete.
Ich halte mich ständig über aktuelle Trends und gesellschaftliche Entwicklungen auf dem Laufenden. Geschichten, die aktuelle Themen aufgreifen oder in einem neuen Licht darstellen, haben oft das Potenzial, eine breite Leserschaft anzusprechen. Das ist genau das, was ich suche.
Wie lange dauert in der Regel eine Zusammenarbeit, bis das fertig gedruckte Buch in den Handel kommt?
Mit einem Zeitraum von etwa 18 bis 24 Monaten muss man rechnen. Ich kann hier die einzelnen Phasen kurz skizzieren: Konzept- und Textarbeit: Zusammen mit dem Autor entwickle ich das Konzept und ein überzeugendes Exposé. Ich überarbeite die geschriebene Leseprobe, welche die Grundlage für die Verlagsanfrage bildet. Bei Romanen achte ich auf das ganze Manuskript. Hier mache ich aber kein volles Lektorat, sondern schaue nach „groben Schnitzern“, Logikfehlern, Brüchen und mache kleine Korrekturen.
Verlagssuche: Wenn alles vorzeigbar ist, suche ich den passenden Verlag und stelle das Projekt vor. Zum Beispiel bei Terminen und/oder auf Messen. Wenn die Verlage interessiert sind, dann sende ich ihnen alles zur Prüfung zu.
Danach beginnt das Warten für meine Autor:innen und mich. Ehrlich gesagt kann es eine ganze Weile dauern, bis eine Antwort kommt. Vertragsverhandlungen: Gibt es ein Angebot oder kommt es sogar zur Auktion, folgen Verlagsgespräche und ein Kennenlernen zwischen Autor:innen und Lektor:innen. Auf diese Weise vergeht auch wieder ein wenig Zeit. Anschließend gehe ich in die Vertragsverhandlung und bespreche mit Lektoren und Vertragsmanagern die Feinheiten des Vertrages.
Produktion und Marketing: Nun beginnt der Verlag mit dem Produktionsprozess. Externe Lektoren und Redakteure werden gesucht, das Layout, die Covergestaltung und der Druck werden geplant. Parallel dazu wird eine Marketingstrategie entwickelt, um das Buch erfolgreich zu lancieren.
Es ist ein langer Prozess. Geduld und eine gute Zusammenarbeit zwischen Autor:in, Agentin und Verlag sind sehr entscheidend, um ein Buch erfolgreich auf den Markt zu bringen.
Babybauch auf Umwegen von Sarah Plack
Zug um Zug zu dir von Nadine Gerber
Hirngespinste von Lisa Vogel
Nicht jedem Content Creator fällt das Schreiben leicht. Welche Art von Unterstützung bietest Du während des Schreibprozesses an?
Meine Aufgabe als Literaturagentin ist es, Autor:innen während des gesamten Schreibprozesses zu unterstützen und zu begleiten. Gemeinsam entwickeln wir ein starkes und verkaufsfähiges Konzept.
Ich helfe dabei, die Ideen zu strukturieren und in ein überzeugendes Exposé zu gießen. Ich gebe konstruktives Feedback zu Entwürfen und übernehme das Lektorat, um den Text stilistisch und inhaltlich zu verbessern. Dabei achte ich darauf, den individuellen Stil der Autorin oder des Autors zu bewahren.
Außerdem unterstütze ich meine Autor:innen auch dabei, motiviert zu bleiben und ihre Schreibziele zu erreichen. Ich übernehme die Verhandlungen mit Verlagen und kümmere mich um die Vertragsdetails, damit sie sich ganz auf das Schreiben konzentrieren können.
Meine Unterstützung geht über das rein Technische hinaus – ich bin partner in crime. Das führt auch mal dazu, dass ich am Sonntagabend neue Projektideen oder Sorgen via WhatsApp-Sprachnachricht mit meinen Autor:innen bespreche.
Kannst Du uns von einem besonderen Erfolgserlebnis mit einem Autor bzw. einer Autorin berichten? Was hat dazu geführt, dass das Buch ein Erfolg wurde?
Ein besonderes Erfolgserlebnis war die Zusammenarbeit mit meiner wunderbaren Autorin Lisa Vogel, deren Buch „Hirngespinste“ zu einem Spiegel-Bestseller wurde.
Was diesen Erfolg ausmachte, war die sorgfältig geplante Strategie. Von Anfang an haben die Autorin, der Verlag und ich eng zusammengearbeitet, um eine starke Basis für die Buchveröffentlichung zu schaffen. Wir entwickelten umfassende PR-Maßnahmen, die sowohl traditionelle Medien als auch digitale Plattformen umfassten.
Ein weiterer Faktor für die Vermarktung – neben der tollen Vertriebsarbeit des Verlages – war unser gezieltes Multiplikatoren-Marketing. Parallel dazu setzten wir auf ein starkes und vielfältiges Online-Marketing, das Social Media Kampagnen, gezielte Werbung und regelmäßige Interaktionen mit den Lesern und Followern beinhaltete. All diese sorgfältig geplanten Maßnahmen führten zu einer steigenden Aufmerksamkeit für das Buch.
Aber es war natürlich auch ein Quäntchen Glück dabei, als das Buch zur richtigen Zeit das richtige Publikum fand und eine virale Dynamik entwickelte. Dieser Erfolg zeigte mir, wie wichtig es ist, strategisch zu arbeiten, aber auch flexibel und offen für die unvorhersehbaren Wendungen des Buchmarkts zu bleiben.
Ein Buch schreibt sich bekanntlich nicht von heute auf morgen und bis zur Veröffentlichung kann es auch mal ein ganzes Jahr dauern. Wie stellst Du sicher, dass das Thema des Buches auch noch in ein bis zwei Jahren gefragt ist? Wie spürst du Trends und Strömungen auf?
Um sicherzustellen, dass das Thema des Buches auch in ein bis zwei Jahren noch gefragt ist, bedarf es einer Mischung aus Erfahrung, Marktkenntnis und einem guten Gespür für Trends. Ich verfolge kontinuierlich die Entwicklungen in der Buchbranche und in der Gesellschaft, lese Branchenberichte und analysiere Bestsellerlisten.
Außerdem bin ich in verschiedenen Netzwerken aktiv, besuche regelmäßig Buchmessen und Literaturveranstaltungen, um frühzeitig neue Strömungen zu erkennen. Gespräche mit Verlagen und Buchhändlern sowie das Feedback von Lesern und anderen Literaturagenten geben mir ebenfalls Einblicke, die wirklich hilfreich und wertvoll sind.
Darüber hinaus bieten soziale Medien und Online-Plattformen viele Informationen über aufkommende Themen und Interessen. So stelle ich sicher, dass ich Trends rechtzeitig aufspüre und meine Autor:innen bei der Wahl relevanter und zukunftsfähiger Themen beraten kann.
Stichwort TikTok, BookTok & Co: Wie wichtig ist Social Media für Autor:innen heutzutage? Glaubst Du, dass eine starke Online-Präsenz die Chancen eines Autors bzw. einer Autorin (bzw. eines Content Creators) erhöht, von einem Verlag angenommen zu werden, und wenn ja, welche Plattformen sind Deiner Meinung nach am wichtigsten?
Plattformen wie TikTok, insbesondere durch die BookTok-Community, haben gezeigt, dass sie die Macht haben, Bücher innerhalb kürzester Zeit zu Bestsellern zu machen. Eine starke Online-Präsenz kann die Chancen, von einem Verlag angenommen zu werden, also erheblich erhöhen. Verlage sehen in einer großen Reichweite nicht nur eine potenzielle Leserschaft, sondern eben auch die Fähigkeit der Autor:innen, ihre Bücher aktiv zu vermarkten.
Plattformen wie Instagram und YouTube sind auch wichtig, da sie visuell ansprechen und es ermöglichen, tiefergehende Inhalte zu teilen, während X (Twitter) eine schnelle und direkte Kommunikation mit der Leserschaft und anderen Autor:innen ermöglicht. LinkedIn kann für Fachbuchautor:innen relevant sein, um sich als Experten zu positionieren.
Insgesamt bietet Social Media also großartige Möglichkeiten, die Reichweite von Autor:innen zu vergrößern, ihre Marke aufzubauen und direkt mit ihren Lesern in Kontakt zu treten, was letztlich ihre Attraktivität für Verlage deutlich steigert.
Hast Du schon mal überlegt, selbst ein Buch zu verfassen?
Das kann ich wirklich kurz beantworten: Nein 😊
Welches Buch liest du gerade?
Ich lese immer zwei bis drei Bücher parallel oder höre Hörbücher, daher zähle ich gern meine aktuellen Bücher auf: „Windstärke 17“ von Caroline Wahl, „Wir können auch anders“ von Maja Göpel und „Von der Kunst, das Leben leicht zu nehmen“ von Marie Luise Ritter.
Liebe Sabrina, vielen Dank für das Interview!
Hast Du eine originelle Buchidee in Deiner Schreibtischschublade? Dann kannst Du Dich direkt bei Sabrina Haja mit einer Leseprobe oder einem Exposé bewerben. Mehr Informationen findest Du hier.
So kannst Du Dich mit Sabrina vernetzen:
Sabrina bietet Interessenten außerdem eine Agentursprechstunde an. In diesem Format können (angehende) Autor:innen alle Fragen klären, die sie zur Buchbranche und/oder zu ihrem Buchprojekt haben.